Mikwe
Die Mikwe ist ein rituelles Tauchbad, dem in den jüdischen Gemeinden eine äußerst hohe Bedeutung zukommt. Fast jede Gemeinde war im Besitz eines solchen Tauchbades, und so sind allein in Deutschland noch fast 400 vorzufinden. Bekannte rituelle Bäder befinden sich in Speyer, Worms, Heilbronn, Friedberg, Offenburg, Köln und Ravensburg, nicht alle sind aber noch im Originalzustand zu sehen.
Die Mikwen, vorstellbar als eine Art kleines "Minibad", unterliegen im Bau und in der Nutzung bestimmten Regeln. So muss vor allem das Wasser, das später zur rituellen Reinigung (siehe Anmerkung) dienen soll, besondere Anforderungen erfüllen. Es muss "lebendiges", fließendes Wasser sein, das heißt, dass nur Wasser natürlichen Ursprungs für diesen Zweck genutzt werden kann. Es darf weder herangetragen, noch anderweitig zur künftigen Mikwe transportiert werden. Aus diesem Grund kommt nur Quell-, Grund- oder gesammeltes Regenwasser in Frage. Bei den meisten im Mittelalter entstandenen Mikwen handelt es sich um Grundwassermikwen.
Für deren Bau musste man oftmals Schächte ausheben, von denen einige eine Tiefe von 20 Metern oder mehr erreichten. Um dem Schacht den nötigen Halt zu geben, wurde er meist mit einem entsprechend starken Stützmauerwerk umbaut, auch hat man Treppen angelegt, um die jahreszeitlich bedingten Schwankungen des Wasserspiegels auszugleichen. Das Bad musste mit mindestens 40 Sea gefüllt sein. Die Umrechnung dieses antiken Hohlmaßes in eine moderne Einheit ist nicht unproblematisch, heutige Angaben liegen zwischen 500 und 1000 Litern.
Eine spezielle Form der Mikwe war die sogenannten Kellermikwe. Sie entstand im Zuge der Einweisung der Juden in getrennte Wohnviertel nach den Pestpogromen im 14. Jahrhundert. In versteckten Lagen grub man vom Keller eines Wohnhauses enge Schächte bis auf das Grundwasserniveau und hob dort ein nur badewannengroßes Tauchbecken aus.
Mit der Abwanderung vieler Juden aus den Landgemeinden im 19./20. Jahrhundert und der Auswanderung bzw. der Deportation der jüdischen Bevölkerung während der NS-Zeit standen viele Mikwen leer oder wurden Opfer der Zerstörung. Dennoch sind viele Tauchbäder erhalten geblieben. Heutzutage sind Mikwen moderne Badeanlagen, von denen es in Deutschland knapp 30 gibt.
Das rituelle Tauchbad hat seine Ursprünge in der Zeit der Propheten und der Sinn besteht darin, den Menschen beziehungsweise einen Gegenstand im kultischen Sinne zu reinigen (siehe Anmerkung).
Die Vorschriften benennen verschiedene Gründe für ein Tauchbad. Da die Unreinheit mit dem Tod verbunden ist, müssen Juden, sollten sie mit einem Toten in Kontakt gekommen sein, ein Tauchbad nehmen. Dies gilt auch für die Zeit nach der Heilung von bestimmten Krankheiten.
Traditionelle Regelungen schreiben den Besuch der Mikwe für Männer und Frauen vor. So wird Männern das Tauchbad vor dem Sabbat oder dem Versöhnungstag Jom Kippur empfohlen. Frauen sollen die Mikwe am Vorabend der Hochzeit, nach der Menstruation oder der Geburt eines Kindes besuchen.
Um die rituelle Reinigung durchführen zu können, ist es erforderlich, dass nichts Körperfremdes mehr vorhanden ist. Nichts darf den Kontakt des Wassers mit dem Körper verhindern. So ist das Tragen von Schmuck, Lippenstift, Nagellack oder Ähnlichem während des Bades nicht erlaubt. Auch muss darauf geachtet werden, dass der gesamte Körper samt den Haaren untergetaucht wird. Das Tauchen an sich bezeichnet man mit "Twila".
verfasst von Jörg B.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2000/2001
Die Darstellung zur Mikwe, die Sie hier finden, beschreibt die Tradition. Wenn Sie wissen wollen, welche Rolle die Mikwe heute spielt, können Sie sich hier informieren:
http://www.berlin-judentum.de/mikwe/
Bei der Beschreibung der Mikwe wurde mehrfach auf die rituellen Reinheitsgebote verwiesen. Diese haben nichts mit körperlicher Sauberkeit zu tun, sondern zielen auf die Wiederherstellung physischer und psychischer Unversehrtheit.
Eine erhellende Darstellung von Susanna Ruerup finden Sie hier.