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Jom Kippur

Bedeutung

Mit Beginn des Rosch ha-Schana feiern die Juden die zehn Bußtage. Am 10. Tischri des jüdischen Kalenders wird im Judentum der letzte und wichtigste Bußtag, der Jom Kippur, gefeiert (hebräisch: ‏יוֹם כִּפּוּר‎, auch Jom ha-Kippurim יוֹם הכִּפּוּרִים, wörtlich übersetzt ‚Tag der Sühne‘). Man führt sich seine Vergehen vor Augen und bittet Gott darum, alle Übertretungen zu vergeben und einen Neuanfang zu ermöglichen. Bis zu diesem Tag versuchen die Juden ihre Sünden und Untaten wieder gut zu machen, denn nach dem jüdischen Glauben verzeiht Gott einem erst, wenn man sich vorher mit Menschen versöhnt hat, mit denen man sich gestritten hatte. Deshalb versuchen die Juden spätestens am Jom Kippur mit sich, der Welt und den Mitmenschen ins Reine zu kommen. Sie versuchen sich bewusst auf diesen Tag zu konzentrieren und sich auf die Fragen und ihre Vergehen im letzten Jahr zu fixieren. Dafür gibt es viele Regeln und Riten für diesen Tag. Bekannt sind besonders das strenge Fasten und das Arbeitsverbot aus Bescheidenheit und Reue vor Gott. Nur Kinder unter 12 Jahren und Kranke sind von diesen Vorschriften befreit. Viele Juden verbringen diesen Tag auch in der Synagoge, wo sie sich 10 Stunden ununterbrochen Bußgebeten widmen. Dabei sind die Synagoge und auch die Menschen komplett in weiß gekleidet, als Zeichen der Reinheit und Festlichkeit.

Betende Juden in der Synagoge am Jom Kippur
Betende Juden in der Synagoge am Jom Kippur Gemälde von Maurycy Gottlieb, 1878

Ein Tag in Stille, Gedanken und voller Gebete

24 Stunden Nachdenken über die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. 24 Stunden Beten in der Synagoge. Was möchte ich erreichen? Was habe ich bisher in meinem Leben falsch gemacht? Bin ich zufrieden mit meiner jetzigen Situation? Über diese und noch viel mehr Fragen denken die Juden am Jom Kippur einen ganzen Tag nach und tun Buße für ihre Sünden.

Doch bevor es soweit ist, wird am Tag davor noch einmal gefeiert, gegessen und getrunken, denn wenn die Sonne untergegangen ist, beginnt der Fastentag und Versöhnungstag Jom Kippur. An diesem Tag herrscht strenges Arbeitsverbot. Die Kinder und Jugendlichen werden von der Schule freigestellt. Die jüdischen Geschäfte haben den ganzen Tag geschlossen und auch zu Hause ruht die Arbeit. Doch neben dem Fasten darf auch nichts getrunken werden, nicht einmal Wasser. Duschen, Baden und Parfümieren sind ebenfalls verboten, d.h. Luxusartikel sind an diesem Tag tabu.

Aus diesem Grund ist auch das Tragen von Lederschuhen verboten, welche früher als Luxusartikel galten. Doch es gibt noch andere Gründe dafür. Einige Juden erinnert Leder an Schlangenhaut und da Schlangen als unrein, d.h. als nicht koscher, im Judentum gelten, trägt man Schuhe aus anderem Material. Andere Juden wiederum glauben, dass Lederbekleidung etwas mit dem Sündenfall Adams im Garten Eden zu tun hat. Denn dadurch kam Tod und Elend auf die Welt. Bescheidenheit und Buße vor Gott sind weitere wichtige Thema zu Jom Kippur. Im Judentum darf an diesem Tag kein Geschlechtsverkehr stattfinden. Einigen Juden ist es auch wichtig armen Menschen Almosen zu geben oder zu spenden. Andere besuchen einen Friedhof um an die Verstorbenen zu denken und Buße zu tun und an ihre Sünden zu denken.

Neben diesen ganzen Verboten ist es aber auch wichtig sich dem Eigentlichen an diesem Tag zu widmen. Der Tag dient nämlich dem Gedenken an Verstorbene, um Unrecht wieder gutzumachen und sich untereinander auszusöhnen. Dafür gehen die Juden in die Synagoge und widmen sich einem 10 – Stunden – Gebet. Und als Zeichen der Reinheit, der Buße vor Gott und der Freiheit von Sünden ist die Synagoge und sind auch die Menschen ganz in weiß geschmückt. Einige Juden gehen sogar mit ihrem weißen Totenhemd, was sie zu ihrer Beerdigung tragen werden, in die Synagoge um frei von allen Sünden beerdigt zu werden.

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Überlieferung

Laut Überlieferung wurden zu Jom Kippur die Sünden des Volkes Israel durch den Hohepriester bekannt gemacht. Danach übertrug er diese symbolisch durch Handauflegen auf einen Ziegenbock. Daraufhin wurde das Tier in die Wüste geschickt, um so auch die Sünden verschwinden zu lassen. Der Begriff "Sündebock" ist also biblischer Herkunft.
Das Prozedere wird wie folgt vorgeschrieben:
„Für die beiden Böcke soll er Lose kennzeichnen, ein Los ‚für den Herrn‘ und ein Los für Azazel. 9 Aaron soll den Bock, für den das Los ‚für den Herrn‘ herauskommt, herbeiführen und ihn als Sündopfer darbringen. 10 Der Bock, für den das Los für Azazel herauskommt, soll lebend vor den Herrn gestellt werden, um für die Sühne zu dienen und zu Asasel in die Wüste geschickt zu werden. ...Aaron soll seine beiden Hände auf den Kopf des lebenden Bockes legen und über ihm alle Sünden der Israeliten, alle ihre Frevel und alle ihre Fehler bekennen. Nachdem er sie so auf den Kopf des Bockes geladen hat, soll er ihn durch einen bereitstehenden Mann in die Wüste treiben lassen und der Bock soll alle ihre Sünden mit sich in die Einöde tragen.“ (Lev 16,8-21 EU)

Der Sündenbock
Der Sündenbock Gemälde von William Holman Hunt, 1854

Verlauf

10 Tage nach Rosch ha-Schana wird das höchste jüdische Fest, Jom Kippur, gefeiert. Wie bei allen jüdischen Feiertagen beginnen die Vorbereitungen bereits am Vorabend. Am Nachmittag des Vortages besuchen die Gläubigen die Mikwe, eine Art Tauchbad, um am Jom Kippur rituell rein vor Gott zu stehen. Nach dem Nachmittagsgebet wird die letzte Mahlzeit vor dem 24 stündigen Fasten eingenommen. Bevor die Eltern die Synagoge für den Abendgottesdienst besuchen, segnen sie ihre Kinder. Beim Abendgottesdienst gibt es einen genau festgelegten Ablauf. Als erstes werden die Gläubigen empfangen und man verkündet feierlich, dass man an diesem Tag mit jenen beten darf, welche die Tora und ihre Regeln übertreten haben. Daraufhin wird das bekannte Kol Nidre mit seiner ergreifenden Melodie vom Chasan (=Kantor) vorgetragen. Das Kol Nidre macht das eigentliche Bekenntnis aus und dient zur Aufhebung aller Gelübde. Dabei wird ausschließlich Bezug auf die persönlichen Gelübde gelegt. Ziel dieses Gebetes ist es, den Einzelnen von Gewissenskonflikten zu schützen, damit er zu Jom Kippur ohne schlechtes Gewissen vor Gott treten kann. Zum Schluss endet der Abendgottesdienst mit einer Lesung aus der Tora.

Kol Nidre
Kol Nidre Wormser Machsor, 13. Jh.

Am eigentlichen Feiertag versammelt sich die Gemeinde bereits früh morgens in der Synagoge, welche an diesem Tag ganz in weiß gehüllt ist. Der ganze Tag ist dem Beten und der inneren Einkehr vorbehalten. Mehrfach wird das Sündengebet wiederholt, welches von allen Gemeindemitgliedern mitgesprochen wird. Dabei bezeugt man seine Verantwortung für die Gesamtheit. Der Höhepunkt der Liturgie ist die Beschreibung des Opfergottesdienstes (wie Überlieferung im Lev. 16). In den Prophetenlesungen wird das falsche Fasten thematisiert. Desweiteren sind Predigten in gewöhnlichen jüdischen Gottesdiensten eher selten anzutreffen, aber zu Jom Kippur sind sie üblich. Der Rabbiner gedenkt auch den Gemeindemitgliedern, welche im vergangenen Jahr gestorben sind.

Die bis zu zehnstündige Liturgie besitzt neben den festen Hauptbestandteilen auch noch zahlreiche weitere Nebenbestandteile. Ein Beispiel sind Lesungen von bekannten jüdischen Dichtern und deren lyrischen Werken. In den Gedichten wird häufig das Thema des menschlichen Versagens oder das Flehen um göttliche Gnade thematisiert. Kurz vor dem Ende Jom Kippurs, wird noch einmal das Bekenntnis der Einzigkeit Gottes von allen wiederholt. Darauf folgt der dreifache Segensspruch mit siebenmaligem Ruf.
Ein letzter einfach geblasener Schofarton verkündet das Ende Jom Kippurs.

Nach Jom Kippur gehen alle Gemeindemitglieder nach Hause und nehmen eine kleine Mahlzeit zu sich. Noch am selben Abend werden die ersten Vorbereitungen für das Laubhüttenfest getroffen.


gestaltet von: Lisa W. und Carolin S. im Schuljahr 2014/15