Paul Julius Reuter

Zwei Namen - eine Person?

Hier die Auflösung des Rätsels: Kurz vor der Hochzeit 1845 konvertierte Israel Beer Josaphat zum Christentum und nahm den lutheranischen Glauben an. Infolgedessen nahm er auch den Namen „Paul Julius Reuter“ an.

Herkunft und Kindheit

Israel Beer Josaphat kam am 21. Juli 1816 in Kassel, Mittelgasse 39 zur Welt. Er wurde als Sohn von Samuel Levi und Betty Josaphat geboren. Sein Vater studierte an Torah-Schulen in Frankreich und lebte in Witzenhausen als Rabbiner. Die Familie zog vor der Geburt des Sohnes nach Kassel. Israel Beer hat zwei Brüder, die ebenso wie ihr Vater als Professoren sehr erfolgreich waren.
Nach dem Tod des Vaters zog Israel Beer Josaphat mit dreizehn zu seinem Onkel nach Göttingen, der dort eine Geldwechselstube betrieb. Da Deutschland damals in hunderte Währungseinheiten zersplittert war, lohnte sich ein solches Geschäft.

Beginn seiner beruflichen Laufbahn

Paul Julius Reuter im Alter von 53 Jahren, 1869 (Gemälde von Rudolf Lehmann)

Israel Beer Josaphat absolvierte eine kaufmännische Lehre und erlernte danach in Göttingen den Beruf des Kaufmannes. So wurde er mit dem Funktionieren der Geldmärkte vertraut.
Er machte eine seiner wichtigsten Begegnungen, die ihn in seiner Zukunft dabei helfen sollte, voranzukommen, als er den Mathematiker Carl Friedrich Gauß traf, der damals Leiter der Göttinger Sternwarte war. In dessen Umfeld lernte er auch den Physiker Wilhelm Eduard Weber. Die beiden forschten damals nach Möglichkeiten der Telekommunikation mittels elektrischen Drahts. Zwei Leitungen verbanden im Jahr 1833 Gauß‘ Sternenwarte mit Webers physikalischem Kabinett, eine für hin und eine für zurück. Das war seine erste Bekanntschaft mit dem Medium Telegrafie. Dies lieferte ihm die Grundlagen für seine spätere Telegrafie. Die beiden Begegnungen prägten seine berufliche Laufbahn enorm.

Private und berufliche Entwicklungen

Um 1840 zog Israel Beer Josaphat nach Berlin, 1845 heiratete er in London die preußische Bankierstochter Clementine Magnus, mit der er im Laufe der Jahre drei Söhne und zwei Töchter haben sollte. Kurz vor der Hochzeit konvertierte er zum Christentum und nahm den lutheranischen Glauben an. Infolgedessen nahm er auch den Namen „Paul Julius Reuter“ an.
Mit einer Finanzspritze des Schwiegervaters stieg Reuter 1847 in Berlin beim Verlagshaus des Buchhändlers Stargardt ein. Reuter und Stargardt versuchten sich kurz vor der Märzrevolution 1848 an einer Reihe politischer Pamphlete. Reuters Ton darin war sehr radikal-liberal und eher nicht revolutionär. Seine Kenntnisse in diesem Bereich waren ja auch nur eingeschränkt, weil er nun mal Kaufmann und eben kein politischer Denker war. Er musste Berlin verlassen. Grund dafür war die Veröffentlichung seiner Schriften während der gescheiterten Revolution von 1848 bis 1849, was dazu führte, dass es für ihn in Berlin nicht mehr sicher war und er verfolgt wurde. Um sich dem zu entziehen, zog er mit seiner Frau kreuz und quer durch Europa, um Neues zu wagen. Letztendlich emigrierte er nach Paris.

Die Aufnahme zeigt die Gedenktafel zur Gründung der Nachrichtenagentur Reuters durch Paul Julius Reuter in Aachen, Pontstraße 117.

Dort arbeitete er vorerst als Übersetzer in einer Nachrichtenagentur als Vermittler. Im darauffolgenden Jahr gründete er eine Nachrichtenagentur in Aachen. Um die Übermittlungslücke zwischen Aachen und Brüssel auf der Strecke von Berlin nach Paris mit 200 Brieftauben zu schließen. Seine Nachrichtenagentur war dadurch deutlich schneller als damalige Postkutschen, die im Schnitt sieben Stunden brauchten oder Züge, die sechs Stunden benötigten, um Nachrichten zu überbringen. Tauben erreichten innerhalb von zwei Stunden ihr Ziel. Eine Vereinigung von Taubenzüchtern stellten ihm sogar 40 Tauben zur Verfügung, als geflügelte Kuriere. Somit konnte er wichtige Börsenpreise und Nachrichten für die belgischen, französischen und britischen Finanzhäuser, sowie für die Presse liefern.
Doch binnen Jahresfrist ließ die preußische Regierung 1851 die Lücke per Kabel schließen, was das Ende für Reuters Brieftauben-Kurier bedeutete. Das war aber nicht das Ende seiner Arbeit, sondern bloß der Anfang von etwas viel Größerem.

Noch im selben Jahr zog er nach London, um dort ein Depeschen-Vermittlungsbüro anzulegen. Zeitnah sorgte er für die ersten Telegrafenleitungen nach Paris. Es gelang ihm auch sehr schnell, Börsenmakler für die europäischen Wirtschaftsnachrichten zu begeistern. Reuter benötigte allerdings mehrere Jahre dazu, die britischen Zeitungen davon zu überzeugen, politische Meldungen anzunehmen.
Er hatte die Idee, telegrafische Nachrichten aus dem Ausland zu organisieren. Jetzt, als britischer Staatsbürger, initiierte er 1857 eine telegrafische Verbindung zwischen Dover und Calais. Er gründete zudem eine Aktiengesellschaft mit dem Namen „Reuters Telegraphic comp. Incorporated“ und baute das europäische Netz auf. Er vermittelte Börsenmeldungen und politisch kulturelle Nachrichten. Zudem verlängerte er die Telegrafenleitung 1863 bis nach Cork im Südwesten Irlands. In einem rasenden Tempo erweiterte er das Netz auf weitere Teile der Welt.
Das war ein Meilenstein in seiner Arbeit. Er war beteiligt an der ersten Verlegung eines Seekabels durch den Atlantik nach Nordamerika im Jahr 1869. Das brachte ihm 1871 einen Adelstitel im Deutschen Reich.
Nur ein Jahr danach gab ihm der Schah von Persien den Auftrag, sein Land weiterzuentwickeln. Ihm gelang allerdings nur eine Gründung einer Nationalbank. Dieses Unterfangen kostete Reuter viel Energie und seine Gesundheit. Aus diesem Grund gab er den Firmenvorstand 1878 an einen seiner Söhne ab. Reuter wurde 1891 von Queen Victoria zum Baron ernannt. Fortan hieß er Baron Paul Julius Freiherr von Reuter.
Nur einige Jahre später starb er am 25. Februar 1899 in Nizza in Frankreich, seinem damaligen Wohnort, mit 82 Jahren.

Bedeutung

Statue von Paul Julius Reuter in London

Seinen Durchbruch verdankte Reuter der Telegrafie, modernen Organisationsformen und einem großen Korrespondentennetz. Enormes Tempo und Unparteilichkeit machten seine Nachrichtenagentur zu führenden im britischen Empire. Gern hätte er diese Rolle auch in Deutschland gespielt, scheiterte aber am Widerstand Bismarcks.
Er versah nach der Entwicklung von Telegrafie alle wichtigen Städte der Welt mit eigenen Korrespondenten und eigener Agentur. Damit baute er sich ein gewaltiges Nachrichtenmonopol auf. Reuter setzte neue Maßstäbe. Seine Telegramme waren kurz, faktenreich, von Korrespondenten vor Ort geschrieben, schnell und vor allem für ihre Qualität und Richtigkeit bekannt.
Er schaffte es als einer der wenigen, das Nachrichtenwesen binnen weniger Jahre komplett umzukrempeln. Damit prägte er das Nachrichtenwesen bis in die heutige Zeit. Letztendlich teilte er sich mit zwei weiteren führenden Nachrichtenagenturen den weltweiten Markt für Kommunikation.
Reuters Unternehmen war bis 1915 in Familienbesitz und wuchs zu einer internationalen Nachrichtenagentur mit Hauptsitz in London heran. Bis 2008 war sein Unternehmen das weltweit größte seiner Art.
Reuter war ein Revolutionär der Kommunikation und Vernetzung der Welt. Er war der Medienunternehmer und Modernisierer schlechthin.
In Gedenken an ihn wurde 1940 von William Dieterle unter dem Titel „A Dispatch from Reuters“ (dt. „Ein Mann mit Fantasie“) eine Filmbiografie gedreht.

Am 26. Februar 1999 wurde der Paul Julius Reuter Innovation Award zum 100. Todestag an der Universität Siegen ins Leben gerufen. Ebenso erinnert bis heute die Paul-Julius-Reuter-Schule und ein Straßenname an den Mann, der die Welt miteinander vernetzte.

Das Erbe von Paul Julius Reuter

Das Video „The Legacy of Paul Julius Reuter“ (dt. Das Erbe von Paul Julius Reuter) wurde vom Medienkonzern Thomson Reuters veröffentlicht, der 2008 aus der Übernahme der britischen Nachrichtenagentur Reuters durch die kanadische Thomson Corporation entstanden ist.

Es sind keine Notizen, private Briefe oder Tagebucheinträge von ihm erhalten oder veröffentlicht. Aber mithilfe von Berichten von Zeitgenossen können wir einen kleinen Einblick in das Wesen von „Paul Julius Reuter“ alias Israel Beer Josaphat als Persönlichkeit gewinnen. Zu Lebzeiten wird er als Mann mit großem Geschäftssinn, Verstand, Mut, Geschick und Ausdauer beschrieben. Engere Bekannte berichteten, er wäre klein, lebhaft und voller Energie gewesen. In Gesprächen hätte er prägnant formuliert und Probleme „auf den Punkt“ gebracht. Er war ein Mann mit einer Idee. Er hat an dem festgehalten, woran er geglaubt hat und dafür hart gearbeitet.

gestaltet von Lena S. im Schuljahr 2023/2024

Abbildungen:
Porträt Reuter: Rudolf Lehmann, Public domain, via Wikimedia Commons
Gedenktafel Aaachen: Iris Reinhardt, Aachen, 15.12.2005
Statue Reuter: Kaihsu in der Wikipedia auf Englisch, CC BY-SA 3.0, via Wikimedia Commons