Samuel Fischer
Samuel Fischer war der Gründer eines Verlages, welcher von der jüngsten Geschichte Deutschlands und der deutschen Kultur nicht zu trennen ist. Er wurde als Sohn von Karl und Erna Fischer am 24.12.1859 in Liptó Szent Miklós, einem Marktflecken in Oberungarn, geboren. Dieser Ort war von deutschsprachigen jüdischen Kleinbürgern kulturell geprägt und besaß ein aufgeklärt-jüdisches Privatgymnasium, das „Sami“ Fischer nach dem sechsten Schuljahr besuchte. Es wird vermutet, dass die Klassiker, welche sicher auch an dieser Schule gelesen wurden, Fischers Berufswünsche beeinflussten.
Fast mittellos und allein fuhr er 1874 nach Wien, um dort eine Lehre als Buchhändler anzutreten. Sechs Jahre verbrachte er dort und musste in dieser Zeit viel gelesen haben, - vor allem die literarischen Neuerscheinungen. Nebenbei eignete er sich kaufmännische Kenntnisse in Abendkursen an. 1880 siedelt er nach Berlin über und geht als Buchhändler-Gehilfe in die „Central-Buchhandlung“ von Hugo Steinitz. Dieser war nur wenige Jahre älter als Fischer und hatte nebenher noch einen Kommissionsverlag. Im September 1883 wurde dieser in „Hugo Steinitz & Co., Verlagsbuchhandlung“ umbenannt und Samuel Fischer wurde Teilhaber.
Man vertrieb Fachzeitschriften („Berliner Hotel-Courier“), Eisenbahn-Kursbücher, Reiseführer und später auch humoristische Wochenblätter („Berliner Wespen“), sowie mehrere populärmedizinische Titel. Ab September 1884 hieß der Verlag „Steinitz & Fischer“. In dieser Zeit lernte Fischer auch Leute wie Max Kretzer (schrieb Großstadtroman „Meister Timpe“), August Scholz (Fischer beschäftigte ihn später als Russland-Experten) und Carl Bleibtreu kennen, er verlegte drei technische Zeitschriften und die Buchserie „Fischer´s technologische Bibliothek“.
Am 28. Februar 1885 erlangte Samuel Fischer die ständige Legitimation zur Begründung eines eigenen Unternehmens. Die Aufnahme in die Corporation der Berliner Buchhändler, eine Urkunde, war für ihn als Ausländer von besonderer Bedeutung. Im Mai 1886 fiel ihm, durch einen glücklichen Zufall, das nötige Startkapital zu. Es war die Voraussetzung zur Verfolgung eigener Pläne. Die Kompagnons Steinitz und Fischer teilten ihren Verlag auf. Fischer übernimmt dabei den kleineren, aber vergleichsweise neutralen Anteil (u.a. Eisenbahn-Kursbücher sowie Hotelzeitschriften) und konnte damit ohne den Ruch des Kommissionsverlags im literarischen Bereich ganz neu beginnen. Seinen Lebensunterhalt verdiente er sich in dieser Zeit als Inhaber einen Buchladens einige Häuser weiter. Die endgültige Trennung von Steinitz fand am 31. August statt. Steinitz begründete daraufhin einen eigenen Verlag. Nur einen Tag später, am 1. September, gründete Fischer, mit gerade 26 Jahren, seinen eigenen Verlag .
Am 28. Januar 1887 wurde das erste Buch mit dem neuen Impressum „S. Fischer, Verlag“ ausgeliefert. Es war Henrik Ibsens „Romersholm“. Sechs Titel konnte Fischer in diesem Jahr mit einem schmalen Startkapital ins Werk setzen; Ibsens „Wildente“, „Therese Raquin“ von Emile Zola, der Novellenband „Maurus Jokai´s Decameron“ und „Die Macht der Finsternis“ von Leo N. Tolstoi und „Der Cirkus und die Cirkuswelt“ von Signor Domino. Fischer hatte im literarischen Debattierclub „Durch“ die Gelegenheit, das Allerneuste noch im Stadium der Gärung zu beobachten.
Er hätte also in diesem Kreis nach der Leitfigur einer künftigen realistischen Literatur suchen können. Fischer jedoch tat das nicht und verlegte statt dessen weniger berühmte als berüchtigte fremdsprachige Autoren. Von 1887-1889 setzt Fischer immer mehr auf das Theater. Er lässt Stücke von Dostojewski („Der Gatte“, „Der Spieler“ und „Der Idiot“) übersetzen, der als Russe durch die damalige Rechtslage nicht vom Urheberrecht geschützt war. Fischer trug somit entschieden dazu bei, den Rang dieser Literatur im deutschsprachigen Raum durchzusetzen. Durch seine Liebe zum Theater unterstützte er auch tatkräftig die Gründung der „Freien Bühne“, welche dem Verlag neue und überraschende Perspektiven eröffnete. Im Jahre 1893 heiratete er Hedwig Fischer (geb. Landshoff) in Berlin.
Im darauf folgenden Jahr wird der Sohn Gerhart geboren, welcher jedoch im Alter von 19 Jahren stirbt. 1895 wurde zum ersten Mal das von Otto Eckmann gezeichnete „Fischer mit dem Netz“ Verlagssignet verwendet. Es sollte Fischers Selbstverständnis als Verleger symbolkräftig ins Bild setzen: als hochrangig erkannte und anerkannte Literatur nicht bloß über den Markt zu verteilen, sondern sie aus dem kreativen Potential der Völker und Generationen erst einmal „einzuholen“. Ab 1898 erscheinen „Sämtliche Werke“ von Ibsen in zehn Bänden. Nachdem Fischer 1887 sein erstes Buch veröffentlichte, welches von Ibsen war, lernte er diesen 1889 persönlich kenn.
Die Jahre darauf wurden immer wieder Werke Ibsens vom Fischer Verlag herausgegeben. In Thomas Mann setzte der Verlag große Hoffnungen. Er wurde dazu aufgefordert weitere Manuskripte einzusenden. Die Arbeiten welche er einschickte, wurden in einem Novellenband vereint. Der wirkliche Erfolg kam jedoch 1901 mit dem Roman „Buddenbrooks“. Fischer hatte anfangs Angst diesen Roman zu verlegen, weil er fand, dass dieser viel zu lang sei. Jedoch muss Thomas Mann ordentlich an das literarische Gewissen Fischers appelliert haben, so dass dieser schließlich einwilligte. Fischers Befürchtungen schienen sich anfangs zu bestätigen, als jedoch 1903 die zweite, einbändige Ausgabe erschien, war der Erfolg da.
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1908 schlägt der Verlag ganz neue Wege ein. „Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane“ eröffnete im Oktober . Man setzt ab sofort auf anspruchsvolle Romane und bringt monatlich einen Titel mit einer Startauflage von 15.000 Exemplaren raus. Je zwölf Titel ergaben dann eine „Reihe“. Die Jahresreihen waren so zusammengestellt, dass immer einige erfolgsversprechende Titel das wirtschaftliche Risiko der übrigen Bände ausglichen. Den tatsächlichen Gesamterfolg jedoch dürfte nicht einmal der optimistische Fischer geahnt haben. Dem Funktion- und Bedeutungswandel des Buches nach der Auflösung der Ständegesellschaft stand Fischer skeptisch, aber durchaus nicht konserviert gegenüber, so förderte er z. B. die neue Art von unterhaltender und zugleich aufklärender Reiseliteratur. Amerika war ein Zeitthema. Bernhard Kellerman, wurde ab 1906 Fischer-Autor. In seinem utopischen Ingenieur-Roman schildert er seine Eindrücke von Amerika. Fischer war sich des Erfolgs sicher, jedoch dachte er nicht, dass das Buch bis 1913 hunderttausendmal verkauft und in kürzester Zeit in 24 Sprachen übersetzt würde.
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Die erste und unmittelbarste Folge des I. Weltkrieges war, dass Auslandsbeziehungen des Verlages abgebrochen wurden. Auch die Verkaufszahl belletristischer Werke ging zurück, da man sich mehr für den Verlauf des Krieges interessierte. Fischer war gezwungen die Produktion zu drosseln. Er war apolitisch und hoffte wie die meisten Autoren auf einen deutschen Sieg. Der Begriff des „Stellungskrieges“ an der Westfront kühlte jedoch die Euphorie ab. Die zweite Phase des Krieges begann und man musste den Verlag auf die Bedingungen des Krieges einstellen. Von insgesamt 176 Titeln, die zwischen 1915 und 1918 erschienen waren, zählte man knapp ein Drittel zur Kriegsliteratur. 1921 wurde jene Generationen abgelöst, welche noch am Aufbau des Betriebes beteiligt war. Nach einer gescheiterten Fusionsverhandlung stand auch wieder die Frage, wer das künftige Erbe des bald siebzigjährigen Samuel Fischer als Verlagseigner und -leiter übernehmen sollte, offen. Zur eben rechten Zeit erfuhr sie eine überraschende Antwort. Gottfried Bermann, der künftige Schwiegersohn, sollte am 1. Oktober 1925 in den Verlag eintreten.
Bermann war eigentlich Arzt und als er im Frühjahr 1923 nach Berlin übersiedelte, lernte er im Hause des Verlegers Bruno Cassirer die zwanzigjährige Brigitte Fischer kennen. Beide beschlossen zu heiraten. Nach anfänglichem Sträuben Samuel Fischers willigte dieser doch noch ein und schlug Bermann vor, sich in das Verlagsgeschäft einzuarbeiten. Somit war der drohende Verkauf des Verlages abgewendet. Die Kompetenz des Nachfolgers wurde stetig ausgebaut und 1928 bestellte Fischer Bermann als Geschäftsführer. Die politischen Vorgänge ab 1933 sind hinlänglich bekannt. Nach der Einschränkung der Pressefreiheit und der Beschlagnahme unerwünschter Druckerzeugnisse, drängte sich die Frage auf, was nun mit dem Verlag werden sollte.
Zunächst hing dies vom Willen Samuel Fischers ab. Der hatte zwar die praktische Leitung vollständig an Bermann-Fischer abgegeben, man brauchte ihn jedoch zur Zustimmung. Fischer war von der politischen Gefährdung des Verlags und dem Ernst der antisemitischen Verlautbarungen nicht zu überzeugen. Nach dem Tode Samuel Fischers am 15.Oktober 1934 in Berlin wird der Verlag bedingt durch die politische Situation geteilt und Bermann-Fischer führt ihn in die Emigration und Niederlassung in Wien, Stockholm und New York.
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