Walther Rathenau

Walther Rathenau, 1921
  • Geboren: 29.09.1867 in Berlin
  • Gestorben: 24.06.1922 in Berlin - Grunewald
  • Beruf: Industrieller, Politiker (Außenminister), Schriftsteller
  • Vorlieben: Schreiben
  • Besondere Kennzeichen: Spitzbart
  • Familie: Sohn des jüdischen Industriellen Emil Rathenau und seiner Frau Mathilde; 1883 gründet Emil Rathenau die "Deutsche Edison-Gesellschaft", später Umbenennung zu "Allgemeine Elektrizitäts-Gesellschaft" (AEG); Geschwister Erich, Edith

Lebenslauf:

Rathenau im Jahr 1891
Rathenau im Jahr 1891 als Vizewachtmeister im Garde-Kürassier-Regiment
  • Besuch des Königlichen Wilhelm-Gymnasiums in Berlin
  • 1884 Freiwilliger bei den feudalen Pasewalker Kürassieren
  • 1886-1989 Studium der Physik, Chemie, Philosophie
  • 1889-1890 Studium des Maschinenbaus
  • tritt in Fußstapfen seines Vaters; leitende Führungspositionen in der AEG
  • 1912 Vorsitzender des Aufsichtsrates der AEG
  • Beteiligung der AEG an der Rüstungsproduktion im 1.WK nach Fürsprache Rathenaus
  • 1918 Mitbegründer DDP (Deutschen Demokratischen Partei)
  • Mai 1921 Wiederaufbauminister im Kabinett Wirth (Beteiligte: Zentrum, SPD, DDP)
  • 31.01.1922 Ernennung zum Außenminister
  • 16.04.1922 Unterzeichnung Vertrag von Rapallo; Interpretation als Beginn einer nach Russland orientierten deutschen Außenpolitik
  • 24.06.1922 Ermordung Rathenaus durch 2 junge Offiziere, die der rechtsradikalen "Organisation Consul" (OC) angehören

Walther Rathenau - Die Suche nach einer Identität

Walther Rathenau
Walther Rathenau gemalt von Edvard Munch 1907

Walther Rathenau lebte ein vielseitiges, dramatisches, von inneren Konflikten geprägtes Leben eines Deutschen und Juden, eine doppelte Identität, deren Pole nicht miteinander vereinbar schienen.

„Sein Leben kann […] auch so gesehen werden, dass es die Quintessenz der deutsch-jüdischen Geschichte enthält, nämlich den Versuch, die jüdische und die deutsche Identität miteinander in Einklang zu bringen, ohne sich je in der einen oder in der anderen zu Hause zu fühlen.“ (Shulamit Volkov)
„Ich bin ein Deutscher jüdischen Stammes“, lautete Rathenaus Credo: „Mein Volk ist das deutsche Volk, meine Heimat ist das deutsche Land, mein Glaube ist der deutsche Glaube, der über den Bekenntnissen steht.“
Walther Rathenau litt sehr unter dem Judentum. Er wollte das Judentum hinter sich lassen und übernahm somit gängige antijüdische Stereotype. Er unterstützte auf Ostjuden zielende Klischees seiner Zeit, benutzte Kategorien der Rassenlehre, hielt sich nicht an Traditionen und Feiertage der jüdischen Religion und war auch ein Gegner der Taufe, da er keine Änderung der Identität durch die Taufe sah und der Meinung war, dass dies zum „Antisemitismus gegen Getaufte“ führt.
Um seine innere Zerrissenheit zu verstärken, schreibt Walther Rathenau 1897 unter dem Pseudonym W. Hartenau den Aufsatz „Höre Israel“. Darin bekennt er sich selbst zum Judentum, klagt aber auch seine Glaubensbrüder an. Den zugewanderten Juden wirft er vor, sich nicht anpassen und integrieren zu wollen. Und auf die Juden in Berlin schimpft er wegen ihrer Angeberei.


Andererseits war er auch stolz darauf, Jude zu sein, da er sich somit von der Mehrheitsgesellschaft abhob. Dies zeigt, dass Walther Rathenau auch auf der Suche nach Zurückweisung war und sich nach beiden Extremen sehnte. Zum einen wollte er nicht als Jude identifiziert werden, um als ein sozialistischer Wirtschaftsführer und scharfsinniger Intellektueller gesehen zu werden, der das deutsche Volk unterstützt und zum anderen sehnte er sich nach Abgrenzung, empfand manchmal einen gewissen Selbsthass.

Im Fokus: Die Ermordung Rathenaus

Walther Rathenaus Aufstieg als Politiker war rasant. Die Öffentlichkeit nahm ihn als wortgewandten Wirtschaftsmagnaten und als ein organisatorisches Großtalent wahr. Jedoch offenbarten sich auch mehr und mehr antisemitische Gegner, die ihn als eine Bedrohung sahen. Ihre Parole war: „Knallt ab den Walther Rathenau, die gottverfluchte Judensau!“ Rathenau wurde am 24. Juni 1922 auf dem Weg ins Auswärtige Amt in seinem Auto erschossen. Er wurde von fünf Schüssen aus nächster Nähe getroffen, wobei schon der erste Schuss tödlich war. Die Mörder, der 23-jährige Erwin Kern und der 26-jährige Hermann Fischer, werden nach langer Verfolgung am 17. Juli auf Burg Saaleck gestellt.
Erwin Kern gab zu Protokoll: „Durch Rathenaus Beseitigung solle die Linke zum Losschlagen gereizt werden, damit die nationalen Parteien ans Ruder kämen, außerdem sei der Minister ein Anhänger des Bolschewismus, der […] die Ziele des internationalen Judentums verfolge…“
Mit Rathenau wollten die Urheber des Mordes die Republik insgesamt treffen. Die Tat sollte ein Schlag gegen das System, gegen die Weimarer Republik, sein. Erwin Kern wird von einer Polizeikugel getötet, Hermann Fischer begeht Selbstmord. Der Fahrer des Attentatswagens, Ernst Werner Techow, wird gefasst und zu 15 Jahren Zuchthaus verurteilt. Die Täter waren Mitglieder der Organisation Consul.

Vorwärts-Ausgabe zur Ermordung Walther Rathenaus

Die Ermordung Rathenaus führte zu einem landesweiten Proteststreik. In allen großen deutschen Städten fanden Demonstration für die Republik statt. Der Staat erließ daraufhin zwei Gesetze. Am 26. Juni 1922 erfolgte der Erlass der Verordnung zum Schutze der Republik, gestützt auf Artikel 48 der Verfassung, und am 21. Juli 1922 folgte das Gesetz zum Schutze der Republik.

Thomas Mann sagte später in einer Rede am 30. November 1926: „Der Mord an Walther Rathenau … war hirnverbrannt. […] Wer in Deutschland Spuren von Gescheitheit an den Tag legt, wird sogleich für einen Juden gehalten und ist damit dann also erledigt.“

gestaltet von Alexandra M. im Schuljahr 2019/2020