Jitzchak Rabin
" Er hatte den Mut, er hatte eine Vision und er hatte sich dem Frieden verpflichtet. ...Solange ich lebe, werde ich stolz sein, ihn gekannt zu haben, mit ihm gearbeitet zu haben, als ein Bruder und als ein Freund, als ein Mensch - und die Beziehung in unserer Freundschaft, die wir hatten, ist etwas Besonderes und ich bin stolz darauf"
(König Hussein von Jordanien)
Wer war Jitzchak Rabin?
Geboren wurde Jitzchak Rabin am 01.03.1922 in Jerusalem. Nach der Grundschule besuchte er das College für Landwirtschaft: "Ich wollte Wasserbauingenieur werden, weil ich dachte, das sei ein wichtiger Beruf im ausgetrockneten Nahen Osten" (aus der Dankesrede für den Friedensnobelpreis, Oslo, 1994).
Ab 1940 war er Palmach-Freiwilliger und kämpfte gegen die britische Verwaltung Palästinas. 1946 wird er zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, bereits ein Jahr später jedoch wieder entlassen.
Von 1947 bis 1949 war er Brigadekommandeur im Unabhängigkeitskrieg. 1959 wurde Rabin stellvertretender Generalstabschef, 1964 stieg er zum Generalstabschef auf. Im Juni 1967, während des Sechs-Tage-Krieges, war er Oberbefehlshaber. 1968 nahm er seinen Abschied aus dem Militär.
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Seine militärischen Erfolge begründeten das Vertrauen in seine Zuverlässigkeit und Durchsetzungskraft, das ihm die Menschen auch später, als Politiker, entgegenbrachten. Für fünf Jahre (1968-1973) wurde Jitzhak Rabin Botschafter Israels in den USA. Nach seiner Rückkehr wurde er in die Knesset gewählt. Im März 1974 wurde Rabin Arbeitsminister, im Mai des gleichen Jahres Nachfolger von Golda Meir als Premierminister. Von diesem Amt trat er im April 1977 wegen eines Devisenvergehens seiner Frau Lea zurück.
Von 1984 bis 1990 hatte Jitzchak Rabin das Amt des Verteidigungsministers inne. Er befahl den Einsatz israelischer Truppen gegen Palästinenseraufstände (Intifada). Sein hartes Vorgehen war durchaus umstritten.
Ein führender israelischer Analytiker in Verteidigungsfragen, Ze'ev Schiff, bemerkte jedoch: "Die Intifada war Rabins Schule." Er meinte damit, dass Rabin im Laufe der 1987 einsetzenden Intifada begriff, dass ein Frieden mit den Nachbarländern einen Frieden mit den Palästinensern im eigenen Land voraussetzte. "Man kann nicht jeden bestrafen. Wenn Gute und Schlechte die gleiche Behandlung erfahren, dann hat es keinen Sinn mehr, gut zu sein."
Rabin plädierte für eine politische Lösung des Konfliktes und nahm erste Kontakte zur Palästinenserführung (PLO) auf. Mit seiner Wahl zum Premierminister 1992 war er in der Position seine Friedenspläne weiterzuverfolgen und umzusetzen. In den Osloer Verträgen erkannten sich die Verhandlungspartner (PLO und die israelische Regierung) gegenseitig an; es wurde zum Gewaltverzicht und der Einstellung der Intifada aufgerufen, außerdem erkannte die PLO das Existenzrecht des Staates Israel an. Am 13. September 1993 unterzeichneten Jitzchak Rabin und Yasser Arafat in Washington eine Grundsatzerklärung laut der die Intifada beendet wurde und Verhandlungen über Autonomie des Gazastreifens und der Westbank aufgenommen werden sollten.
Auf dem Rasen des Weißen Hauses sprach Jitzhak Rabin: "Wir, die wir gegen Sie, die Palästinenser gekämpft haben, sagen Ihnen heute mit lauter und klarer Stimme: Genug des Blutes und der Tränen. Es ist genug."
Im Oktober 1994 kam ein Friedensvertrag mit Jordanien zustande, es wurden Kontakte zu anderen arabischen Ländern sowie Ländern am Persischen Golf geknüpft. Am 10. Dezember 1994 erhielten Jitzchak Rabin (israelischer Premierminister), Shimon Peres (Außenminister Israels) und Yasser Arafat (PLO-Vorsitzender) den Friedensnobelpreis für ihre Bemühungen um Frieden im Nahen Osten.
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In seiner Dankesrede sagte Jitzchak Rabin:
"Jahrzehntelang diente ich im Militär. Unter meiner Verantwortung gingen junge Männer und Frauen, die leben wollten, die lieben wollten, stattdessen in den Tod. Sie fielen in der Verteidigung unseres Lebens. ...In unserem Teil der Welt, im Nahen Osten, in unserer Heimat Israel, aber auch in Ägypten, Syrien, Jordanien, dem Libanon, gibt es hunderte Friedhöfe... Ich verbeuge mich vor allen - den Gefallenen aller Länder und aller Kriege; vor allen Mitgliedern ihrer Familien, die die unerträgliche Last der Trauer tragen; vor den Invaliden, deren Narben niemals heilen werden. Heute abend möchte ich jeden Einzelnen von ihnen ehren, denn dieser wichtige Preis gehört ihnen. ... Das wir nun den Frieden aufbauen, betrachten wir als großen Segen für uns, für unsere Kinder nach uns. Wir betrachten es als Segen für unsere Nachbarn und für unsere Partner in diesem Unternehmen - die Vereinigten Staaten, Russland, Norwegen - die so viel taten, um das Abkommen, das hier in Oslo und später in Washington und Kairo unterzeichnet wurde, zustande zu bringen. Es ist der Beginn einer Lösung für den schwierigsten Teil des arabisch-israelischen Konfliktes: den zwischen den Palästinensern und Israel. ... Frieden ist möglich. Wir sehen die Hoffnung in den Augen unsere Kinder. Wir sehen das Licht in den Gesichtern unserer Soldaten, in den Straßen, den Autobussen, ... Wir dürfen sie nicht im Stich lassen. Wir werden sie nicht im Stich lassen. ... Mit mir hier sind fünf Millionen Bürger Israels - Juden, Araber, Drusen und Tscherkessen - fünf Millionen Herzen schlagen für Frieden, und fünf Millionen Augenpaare blicken auf uns mit so großen Erwartungen."
Am 4. November 1995 fand in Tel Aviv auf dem Platz der Könige eine Demonstration unter dem Motto "Ja zum Frieden - Nein zur Gewalt" statt. Führende Politiker Israels (Rabin, Peres u. a.) nahmen daran teil, geschätzt wurde, dass über 200 000 Menschen die Kundgebung verfolgten. Rabin sagte damals:
"Erlaubt mir zu sagen, dass ich tief bewegt bin. Ich möchte gern jedem einzelnen von euch danken, der heute hierher gekommen ist, um für Frieden zu demonstrieren und gegen Gewalt. Diese Regierung, der ich gemeinsam mit meinem Freund Shimon Peres das Privileg habe, vorzustehen, hat sich entschieden, dem Frieden eine Chance zu geben - einem Frieden, der die meisten Probleme Israels lösen wird. ...
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Ich habe immer daran geglaubt, das die Mehrheit der Menschen Frieden haben möchte und auch bereit ist, für den Frieden Risiken einzugehen. Euer Kommen heute zeigt, dass ihr, gemeinsam mit vielen anderen, die nicht gekommen sind, wirklich Frieden wollt und Gewalt ablehnt. Gewalt höhlt die Basis der israelischen Demokratie aus. ... das ist nicht der Weg des Staates Israel. In einer Demokratie kann es Differenzen geben, aber die letzte Entscheidung wird in demokratischen Wahlen getroffen, wie in den Wahlen von 1992, die uns das Mandat gaben, zu tun, was wir nun tun, und diesen Weg weiterzugehen. ... Es gibt Feinde des Friedens, die versuchen, uns zu verletzen, um den Friedensprozess zu torpedieren. Ich möchte es offen sagen, dass wir auch unter den Palästinensern einen Friedenspartner gefunden haben: Die PLO ... Ohne Partner für den Frieden, kann es keinen Frieden geben. ... Für Israel gibt es keinen Weg ohne Schmerz. Aber der Weg des Friedens ist dem Weg des Krieges vorzuziehen. Ich sage euch dies als jemand, der 27 Jahre lang ein Mann des Militärs war, als jemand, der heute als Verteidigungsminister das Leid der Soldatenfamilien sieht. ... Diese Kundgebung muss eine Botschaft an das israelische Volk senden, an die Juden in aller Welt, an die Menschen in den arabischen Ländern, an die ganze Welt: dass das israelische Volk den Frieden will und den Frieden unterstützt. Dafür danke ich euch."
Am Ende der Kundgebung sangen alle gemeinsam den "Song of Peace":
...
Look up in hope
not through gun sights
sing a song for love
and not for war
Don't say "one day"
bring that day
because it is not a dream
and in every corner
cheer for peace (Lyrics by Yaakov Rotblit)
90 Minuten, nachdem Rabin seine Ansprache beendet hatte, wurde er von einem jüdischen religiösen Extremisten ermordet.
Das Begräbnis Jitzchak Rabins fand am 6. November, 14:00 Ortszeit in Jerusalem statt. Anwesend waren u. a. der ägyptische Staatspräsident Hosni Mubarak, König Hussein von Jordanien, der britische Oppositionsführer Tony Blair und der britische Premierminister John Major, der französische Staatspräsident Jacques Chirac, der deutsche Bundeskanzler Helmut Kohl und Bundespräsident Roman Herzog, Königin Beatrix der Niederlande und als Vertreter der USA Präsident Bill Clinton und die Ex-Präsidenten George Bush und Jimmy Carter sowie der UN-Generalsekretär Boutros Boutros-Ghali. PLO-Vorsitzender Arafat kondolierte ebenfalls.
Jitzchak Rabin hinterließ seine Frau Lea, zwei Kinder und drei Enkelkinder. Noa, seine Enkeltochter, sagte an seinem Grab:
Verzeiht, dass ich nicht vom Frieden sprechen möchte. Ich möchte von meinem Großvater sprechen. Für gewöhnlich erwachen wir aus einem Albtraum, aber seit gestern stürze ich beim Erwachen in einen Albtraum. Es ist nicht möglich, sich an den Albtraum eines Lebens ohne dich zu gewöhnen. Wenn das Fernsehen dich zeigt, bist du so lebendig, dass ich dich fast berühren kann - aber nur fast, denn ich werde es nie mehr können.
Großpapa, du warst das Feuer vor dem Lager, und jetzt sind wir allein, ohne Fackel in der Finsternis; uns ist so kalt, wir sind so traurig.
Ich weiß, die Menschen sprechen von einer nationalen Tragödie und dass ein ganzes Volk getröstet werden muss. Aber wir fühlen die große Leere, die ohne dich bleibt, wenn Großmama nicht aufhören kann zu weinen.
Nur wenige kannten dich wirklich. Jetzt werden sie eine ganze Weile von dir sprechen, aber ich spüre, dass sie nicht wirklich wissen, wie groß der Schmerz, wie groß die Tragödie ist; etwas ist für immer zerstört.
Großpapa, du warst und bist und bleibst unser Held. Und ich möchte, dass du weißt - was immer ich auch tue, ich habe dich dabei vor Augen.
Dein Verständnis und deine Liebe haben uns bei jedem unserer Schritte begleitet, unser Leben ist geprägt von dem, was du für richtig und falsch, gut und böse hieltst. Du, der nie aufgegeben hat, bist nun verloren. Und jetzt bist du hier, mein immer gegenwärtiger Held - kalt, allein. Und nichts kann ich tun, um dich zu retten. Du fehlst uns so sehr.
Größere als ich haben dich gerühmt, aber keinem von ihnen war so wie mir das Glück beschieden, deine warmen, weichen Hände zu spüren, deine zärtlichen Umarmungen, die nur für uns waren. Und dieses halbe Lächeln, das mir immer so viel verriet - das Lächeln, das es nun nicht mehr gibt, das mit dir erstarrt ist.
Ich hege keine Rachegefühle, dazu sind der Schmerz und der Verlust zu groß. Uns ist der Boden unter den Füßen weggezogen, und nun tasten wir herum, versuchen uns zu orientieren in dieser Verlassenheit, ohne dass es uns bisher gelingen will.
Ich bin nicht fähig, dies zu Ende zu bringen. Es bleibt nichts, als dir Lebewohl zu sagen, mein Held, ruhe in Frieden und denk an uns und vermisse uns hier unten, die wir dich so lieben. Die Engel, die dich jetzt begleiten werden, bitte ich, dass sie dich beschützen, denn du verdienst ihren Schutz.
Noa Ben Artzi-Pelossof: Trauer und Hoffnung. Die Enkelin Jitzhak Rabins über ihr Leben und ihre Generation - Reinbeck b. Hamburg : Rowohlt, 1997 S. 178 f.
erarbeitet von Maria S.