Rose Ausländer

Rose Ausländer 1918 / Aus Nachlaß Max Scherzer / Public domain

Am 11. Mai 1901 wurde Rosalie (genannt Rose) Scherzer in Czernowitz geboren. Sie interessierte sich schon früh für Literatur, studierte deshalb Literaturwissenschaften und Philosophie, brach dies aber schon nach einem Jahr ab. Während dieses Studiums lernte sie ihren Studienkollegen Ignaz Ausländer kennen und lieben. Beide wanderten nach dem Tod ihres Vaters auf Drängen ihrer Mutter aus wirtschaftlichen Gründen 1921 nach Amerika aus. Dort arbeitete sie als Bankangestellte, Journalistin und Schriftstellerin und sah sich hilflos den Eindrücken der Großstadt ausgeliefert und wandte sich daher dem Dichten, was seitdem unentbehrlich für sie wurde, zu. 1923 heirateten Rose und Ignaz, jedoch ließ sie sich nach drei Jahren wieder scheiden, da es ihr angeblich zu langweilig in ihrer Ehe war.

Rose kehrte 1931 nach Czernowitz zurück, da ihre Mutter schwer erkrankt war und pflegte sie seitdem. Außerdem verliebte sie sich in den Graphologen Helios Hecht. Sie lernte außerdem Alfred Margul-Sperber, den Entdecker Paul Celans und Redakteur des „Czernowitzer Morgenblatts“, der ihre ersten Gedichte veröffentlichte, kennen. Durch seine Hilfe konnte auch ihr erster Gedichtband „Der Regenbogen“ 1939 publiziert werden, der zwar bei der Presse großen Enthusiasmus auslöste, jedoch keinen Erfolg beim breiten Publikum hatte. Nachdem die Nationalsozialisten 1941 Czernowitz besetzt hatten, lebte sie mit ihrer Familie in einem Ghetto, wo sie auch Paul Celan (damals noch Paul Antschel), von dessen Lyrik sie fasziniert war, kennenlernte. Sie, ihre Mutter, ihr Bruder Max, ihre Schwägerin sowie einige Freunde tauchten nach den ersten Deportationen in Konzentrationslager in einem Keller unter einer Fabrik ab. So haben sich Rose Ausländer und Celan gegenseitig in ihrem dunklen, eintönigen Kellerversteck, ihre Gedichte vorgelesen, was für beide lebensrettend war. Im Frühjahr 1944 konnten die Russen Czernowitz befreien, doch überlebten nur 5000 von 60.000 Juden die deutsche Besatzung. Rose Ausländer war von schweren gesundheitlichen Schäden gezeichnet, was eher das kleinere Übel war im Vergleich zu den traumatischen Erlebnissen, die ihre Psyche belasteten.

Sie wanderte, nachdem sie vom Tod ihres Verlegers, der nach Sibirien verschleppt wurde, hörte, erneut nach Amerika aus, wo sie in New York als Sekretärin arbeitete und zur amerikanischen Staatsbürgerin wurde und sogar später eine kleine Altersrente vom Staat erhielt. Sie hörte aber nie auf zu dichten und schreiben, wobei die Begegnungen mit den Schriftstellern Edward Estlin Cummings, William Carlos Williams und Marianne Moore ihr einen dichterischen Neuanfang ermöglichten. Da sie sich nach dem Krieg unfähig fühlte in ihrer Muttersprache ihre Gedichte zu verfassen, verwendete sie die englische Sprache. Jedoch fing sie ab 1956 wieder an in Deutsch zu schreiben, nachdem sie Paul Celan wieder getroffen hatte, der sie auch mit der lyrischen Moderne bekannt machte. Diese Begegnung bewirkte eine radikale Veränderung ihrer Form und ihres Stils, was zu ihrer unverwechselbaren dichterischen Ausdrucksweise führte. Sie antwortete auf die Frage, warum sie ab 1956 wieder in Deutsch schrieb: „Mysteriös, wie sie erschienen war, verschwand die englische Muse. Kein äußerer Anlass bewirkte die Rückkehr in die Muttersprache. Geheimnis des Unterbewusstseins.“ 1964 ging sie dann endgültig nach Europa zurück, erst nach Wien, später nach Düsseldorf, wo sie 1972 ins Nelly-Sachs-Haus zog.

Rose Ausländer machte 1975 mit Helmut Braun, der auf der Suche nach unbekannten Autoren für seinen neugegründeten Verlag war, Bekanntschaft. Nach sechs veröffentlichten Büchern und mit immerhin schon 74 Jahren war sie immer noch unbekannt, was sich an der Gesamtauflage von knapp 3000 Exemplaren (über 40 Jahre verteilt !!!) erkennen lässt. Von da an wurde sie von Helmut Braun betreut, beraten, er gab ihre Gesamtwerke heraus und verfasste ihre Biographie. Während dieser Zeit litt Rose Ausländer schon an Arthritis, was dazu führte, dass sie ihre Hand nicht mehr selbständig steuern konnte. Deshalb brachte Braun ihre Ideen zu Papier. Er war sehr fasziniert von ihrer kreativen Kraft, starken Persönlichkeit, großen Vitalität und Durchsetzungskraft, obwohl sie seit 1978 an ihr Bett im Nelly-Sachs-Haus gefesselt war. Trotz dessen, dass sie ihr Zimmer nicht mehr verlassen durfte, hatte sie größere Wirkungs- und Publikationsmöglichkeiten, so entstand und erschien ab 1974 jedes Jahr mindestens ein Gedichtband von ihr.

Gedenktafel am Geburtshaus in Czernowitz / RKE (Diskussion) 16:20, 17. Jun. 2016 (CEST) / Copyrighted free use

Aufgrund ihrer dichterischen Leistungen erhielt sie viele Ehrungen und Preise, zum Beispiel den Droste-Preis der Stadt Meersburg 1967, 1977 den Ida-Dehmel-Preis und den Andreas-Gryphius-Preis und 1986 den Literaturpreis des Verbandes evangelischer Büchereien.

Ihr lyrisches Werk ist bestimmt von der Erfahrung des Exils, des „in der Fremde daheim“, wobei sie seit Mitte der 50er Jahre ihre eigene Sprache entwickelte – parallel zu Paul Celan, aber unabhängig von ihm. Außerdem standen im Mittelpunkt ihrer Gedichte, welche meist Selbstgespräche des lyrischen Ichs und Anreden an ein Gegenüber sind, das Grauen der Verfolgung, die Trauer um die verlorene Heimat, Erinnerungen an die Eltern und an glückliche Kindertage, die Erfahrung von Verlassenheit und Einsamkeit in der Fremde, was sie mit dichterischer Einfachheit, Klarheit und epigrammatischer Kürze, bildreich, voller Poesie und Musikalität verzierte.

Ihre wichtigste Gedichtsammlung ist „Blinder Sommer“ (beschreibt Nachkriegszeit als heillose Epoche, weil alles Leben hier dem Verderben ausgesetzt ist) von 1965, welche durch das Gedenken an den von ihr genannten „Aschensommer“ der Judenverfolgung bestimmt wurde. Ihre Gedichte „Das Dorf Duminika“, „Israel“ und „Im Chagalldorf“ sind Zeugnisse für Schrecken, aber auch Schönheit jüdischen Lebens. Auch im zunehmend abstrakten Spätwerk blieb ein Bezug zu ihrer jüdischen Herkunft erhalten, wobei der Glaube an das poetische Wort fast messianischen Charakter annahm (das Wort sieht sie als Schutzraum ihrer Existenz: „Ich wohne im Wort“). In ihrer Lyrik verbinden sich Sensibilität und Intellektualität, Phantasie und Verstand/Vernunft, außerdem vergleicht sie zeitgeschichtliche Ereignisse mit mythischen Vorgängen, was ihren theologischen Sinn hervorhebt. Sie stellte Antagonismus von Welt und Leben in Bilder dar, die von der biblischen Schöpfungsgeschichte kamen. Ihre Werke, die ins Englische, Französische, Tschechische und Hebräische übersetzt wurden, liegen in einer achtbändigen Ausgabe vor.

Am 3. Januar 1988 starb Rose Ausländer in Düsseldorf. Noch heute verwaltet Helmut Braun ihren literarischen Nachlass.

verfasst von: Madleen S.