Simon Wiesenthal

„Aufklärung ist Abwehr“

Simon Wiesenthal (1982)

Am 31. Dezember 1908 wurde Simon Wiesenthal in Buczacz in der heutigen Ukraine geboren. Er war der Sohn eines jüdischen Großhändlers, der 1915 als Offizier im I. Weltkrieg starb. Daraufhin floh er mit seiner Mutter nach Wien und kehrte zwei Jahre später wieder nach Buczacz zurück. Nach seiner Schulzeit studierte er in Prag und Warschau Architektur und arbeitete in den 30er Jahren in einem Architekturbüro in Lemberg. In dieser Zeit heiratete er seine Schulfreundin Cyla Müller, eine entfernte Verwandte Sigmunds Freuds.

1941 wird Simon Wiesenthal vom Sicherheitsdienst (SD) verhaftet und auf dem Marktplatz mit anderen männlichen Juden, neben mannsgroßen Holzkästen aufgestellt. Die Erschießung begann. Punkt 12 Uhr läuteten die Kirchturmglocken und einer der SD-Männer rief „Schluss jetzt, Vesper“. 10 bis 20 Männer vor Wiesenthal hörte das Morden auf und sein Leidensweg durch 12 Konzentrationslager begann. Unter anderen war Wiesenthal auch in Gross-Rosen und Buchenwald. 1945 wurde er aus dem KZ Mauthausen von US-Soldaten befreit, er wog gerade noch 50 kg. Wiesenthal verlor durch den Holocaust 89 Verwandte.

Foto: National Archives of the Netherlands / CC BY-SA

Nach dem Zweiten Weltkrieg nahm Wiesenthal sofort Kontakt zu den amerikanischen Behörden auf und übergab eine Liste mit 91 Namen von Naziverbrechern (vor allem KZ- Aufseher). Im Juli wurde er von den amerikanischen Behörden beauftragt Eichmann zu suchen. Ende 1945 fand er seine Frau Cyla wieder und ein Jahr später wurde ihre Tochter Pauline geboren. 1947 gründete Wiesenthal in Linz die Jüdische Historische Dokumentation, die die Aussagen von Zeugen aufnahm mit deren Hilfe man Listen von NS-Verbrechern zusammenstellte. Von diesen ermittelte man die aktuellen Wohnorte. 1954 musste er das Büro in Linz schließen, da zum Höhepunkt des Kalten Krieges keine staatlichen Unterstützungen zu bekommen war. Bis 1961 verhalf Wiesenthal jüdischen Opfern zu einer Ausbildung. 1961 gründete er in Wien erneut ein Jüdisches Dokumentationszentrum, das sich nur mit Spenden finanzierte.

Simon Wiesenthal sammelte Briefmarken, um über die schlimmen (Tag)Träume von der Vergangenheit hinwegzukommen. Mithilfe seiner Briefmarkenfreunde gelang es Wiesenthal 1953 den „Holocaustplaner“ Adolf Eichmann in Argentinien ausfindig zu machen, dieser wurde später vor ein israelisches Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der israelische Geheimdienst erklärte später, Wiesenthal hätte keine wertvollen Informationen bezüglich Eichmanns Aufenthaltsorts an die israelische Regierung weitergegeben. Das wurde 2006 durch einen Brief, in dem Wiesenthal den Aufenthaltsort Eichmanns nannte, widerlegt. Weitere Nazi-Verbrecher die Mithilfe Wiesenthals identifiziert und verurteilt wurden, waren:

  • Karl Silberbauer in Wien, der Anne Frank in Amsterdam verhaftet hatte
  • Klaus Barbie, ehemaliger Gestapo-Chef von Lyon, bekannt als der „Schlächter von Lyon“
  • Franz Stangl, KZ-Kommandanten des Vernichtungslagers Treblinka,
  • Josef Schwammberger, Getto-Kommandant von Przemyśl
Klaus Barbie, Section de recherche de la Gendarmerie nationale de Lyon / Public domain

Insgesamt legte Wiesenthal in seinen Dokumentationszentren 6000 Akten an mit ca. 90.000 Namen von Nazi-Verbrechern. Er ging 3000 Fällen selber nach.
1975 entstand zwischen Wiesenthal und dem österreichischen Bundeskanzler Bruno Kreisky ein Streit, um die SS-Vergangenheit des FPÖ-Vorsitzenden Friedrich Peter. Kreisky nannte Wiesenthal einen „Nestbeschmutzer“, weil dieser ständig daran erinnerte, dass unverhältnismäßig viele NS-Verbrecher wie Hitler, Eichmann und zwei Drittel der Kommandanten der Konzentrationslager aus Österreich stammten.
1982 explodierte vor Wiesenthals Haus eine Bombe. Das war der letzte nonverbale Anschlag auf Wiesenthal.

Wiesenthal sieht seine Arbeit nicht als Rache, sondern als Warnung an die Mörder von morgen. "Sollte sich die Geschichte dennoch wiederholen, wird sich auch mein Beispiel wiederholen", sagte er. "Und zwar, wie ich mir wünsche, nicht einmal, sondern fünfzigfach." "Ich habe keinen einzigen Tag vergessen, dass ich ein Überlebender bin", sagte er einmal in einem Interview. Es sei ein Privileg gewesen, das ihn ein ganzes Leben lang dazu verpflichtet habe, im Namen derer anzuklagen, "die keine Stimme mehr haben".

verfasst von: Gunhild B.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2008/09

Simon Wiesenthal berichtet von seiner Befreiung aus dem KZ Mauthausen | USC Shoah Foundation