Das Tagebuch der Anne Frank
Annelies-Marie Frank wurde am 12. Juni 1929 in Frankfurt am Main geboren und wuchs in einer wohlhabenden gebildeten jüdischen Familie auf. Ihr Vater Otto Heinrich Frank wurde 1889 in Frankfurt am Main geboren und wuchs ebenfalls in einer assimilierten, liberalen jüdischen Umgebung auf. Er besuchte die höhere Schule und volontierte in einem New Yorker Kaufhaus und diente während des 1. Weltkrieges im deutschen Heer als Reserveoffizier. Nach dem Krieg gründete er ein eigenes Geschäft in Frankfurt am Main, wo er 1925 Edith Holländer, Tochter eines Aachener Fabrikanten, heiratete. Sie bekamen zwei Töchter, Margot Betti, die am 16. Februar 1926 geboren wurde und Annelies-Marie, genannt Anne.
Anne und ihre Familie gingen nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 und der Verkündung erster antijüdischer Maßnahmen nach Amsterdam. Dort gründete ihr Vater eine Firma, die Geliermittel vertrieb und 1938 mit Hermann van Pels, der mit seiner Familie von Osnabrück nach Amsterdam geflohen war, eine 2.Firma, die mit Gewürzen handelte.
Währendessen lernten Anne und ihre Schwester holländisch und gingen auf die Montessori-Schule in Amsterdam. Auf die Besetzung Hollands durch die Wehrmacht im Mai 1940 folgten antijüdische Maßnahmen, unter anderen im Oktober 1940 ein Gesetz, dass alle Unternehmen im jüdischen Besitz registriert werden mussten. Außerdem wurde ein Gesetz erlassen, dass jüdische Kinder nur jüdische Schulen besuchen durften. Daraufhin mussten Anne und Margot zum jüdischen Lyzeum überwechseln. Schon während dieser Zeit bereitete Annes Vater ein Versteck im Hinterhaus seines Büros an der Prinsengracht 263 in Amsterdam vor. Es wurden die vier Angestellten Victor Kugler, Johannes Kleimann, Elli Voskuijl und Miep Gies (geborene Hermine Santronschitz) informiert. Sie halfen der Familie die gesamte Zeit über. Als die 16jährige Margot am 5. Juli 1942 von der Zentralstelle für jüdische Auswanderung brieflich aufgefordert wurde sich zum „Arbeitseinsatz“ registrieren zu lassen, beschlossen die Franks unter Absprache mit der Familie van Pels unterzutauchen. Schon am nächsten Tag zogen Anne und ihre Familie in das Hinterhaus.
Eine Woche später folgten ihnen Hermann van Pels, seine Frau Auguste und sein 15jähriger Sohn Peter. Weiterhin schloss sich ihnen am 16. November 1942 der Zahnarzt Fritz Pfeffer an. Diese acht Personen lebten zwei Jahre auf engstem Raum mit Nahrungs- und Kleidungsknappheit zusammen, Informationen von der Außenwelt bekamen sie nur durch das Radio und teilweise von ihren Helfern. Die vier Helfer konnten während dieser Zeit immer ausreichend Vorräte beschaffen. Anne, ihre Schwester und Peter versuchten weitgehend ein normales Leben zu führen, indem sie mit alten und neuen Büchern Schularbeiten machten. Jeden Tag mussten sie Angst vor der Entdeckung ihres Versteckes haben, da nicht jeder der Angestellten im Büro über sie Bescheid wusste und die Gefahr des Verrats sehr groß war. Deshalb durften sie sich nicht bewegen und die Toilette benutzen. Anne musste viele Konfliktsituationen, z.B. mit ihrer Mutter und Auguste van Pels bewältigen, wobei ihr das nicht leicht fiel. Ihre persönliche, sowie sexuelle Entwicklung, die Schwierigkeiten des Erwachsenwerdens und ihr jugendlicher Übermut machten ihr diese Situationen nicht leichter. Es entwickelte sich zwischen ihr und Peter eine freundschaftliche Beziehung, sie verliebte sich in ihn, wurde aber doch enttäuscht. Die Probleme mit ihrer Umwelt, mit sich selbst und die Zeit, in der sie lebte, sowie den inneren und äußeren Druck kompensierte sie in ihrem Tagebuch, welches später weltberühmt wurde.
Amsterdam Prinsengracht 267 - Hide-sp / CC BY-SA / / Das Bücherregal, das den Zugang zum Versteck im Hinterhaus verbarg (Rekonstruktion) - Bungle / CC BY-SA
Am 4. August 1944 ist der SD in Amsterdam anonym über die acht Untergetauchten informiert worden. Die Juden und die zwei Helfer Kleimann und Kugler wurden festgenommen. Kleimann und Kugler sind ins holländische Konzentrationslager Amersfoort gebracht worden, beide überlebten. Die acht verhafteten Juden sind am 8. August im Durchgangslager Westerbork, wo jede Woche ein voll besetzter Zug in die Vernichtungslager fuhr, angekommen. Am 3. September 1944 fuhr der letzte Zug, laut Transportliste mit 1011 Menschen, unter ihnen auch Anne Frank und die weiteren sieben Untergetauchten, nach Auschwitz.
Bei der Ankunft in Auschwitz sind 549 Menschen sofort vergast worden, darunter auch Hermann van Pels. Annes Mutter (starb am 6. Januar 1945 in Auschwitz.), ihre Schwester und Auguste van Pels (unbekannt, wo und wann sie starb) wurden in dem Frauenblock untergebracht. Anne und Margot wurden Ende Oktober 1944 nach Bergen-Belsen deportiert, wo die Unterbringung, Verpflegung und medizinische Versorgung besonders miserabel war. Hinzu kamen Hungersnöte und die Kälte in dem KZ, woraufhin die Gefangenen immens geschwächt wurden. Außerdem herrschte in Bergen-Belsen eine Typhusepidemie. Annes Schwester Margot starb Anfang März 1945 und Anne selbst starb mit der festen Überzeugung ihre Eltern seien tot, wenige Tage später. Ihr Leichnam liegt in einem der Massengräber von Bergen-Belsen. Ihr Vater war der einzige Überlebende der acht Untergetauchten.
Anne Frank wurde durch ihr Tagebuch, welches als erschütterndes Zeitdokument charakterisiert wird, weltbekannt. Sie bekam das Tagebuch am 12. Juni 1942 zu ihrem 13. Geburtstag von ihrem Vater geschenkt. In Briefen an eine imaginäre Freundin, die sie Kitty nannte, beschrieb Anne sich selbst und ihre persönliche Entwicklung im Kontext der Probleme und Ängste von sich und weiteren sieben untergetauchten Juden, die versuchten der Deportation zu entgehen.
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In dem Tagebuch beschrieb Anne die Schwierigkeiten mit ihrer Mutter, ihr besonderes Verhältnis zu ihrem Vater, ihre sexuelle Entwicklung und ihre Bemühungen, ihren Charakter zu entwickeln. Sie beschrieb ihre Liebe zu Peter van Pels und später ihre Enttäuschung über ihn. Anne hörte am 28. März 1944 im Radio von dem Plan Tagebücher und Briefe aus dem Krieg zu sammeln. Daraufhin schrieb sie ihr Tagebuch noch einmal neu und legte eine Liste von Pseudonymen ihrer Mitbewohner (z.B.: van Pels zu van Daan) für ihr Buch „das Hinterhaus“ an. Außerdem wurde von ihr ein Buch mit Geschichten („Geschichten und Ereignisse aus dem Hinterhaus“) und „Das Buch der schönen Sätze“, indem sie Zitate niederschrieb, die ihr gefielen, gefunden. Sie beobachtete sich, ihre Umwelt und Umgebung sehr genau. Sie zeichnete die Lage und Charaktere ihrer Leidensgenossen, sie kommentierte, kritisierte und vergaß dabei sich selbst nicht.
Anfänglich schrieb sie noch oberflächige Kommentare über Freundinnen oder Bewunderer, später wandelte sich ihre Schreibweise in fast philosophische Betrachtungen über sich und die Außenwelt. Ihr Wunsch war es Journalistin und berühmte Schriftstellerin zu werden, sie machte Pläne für die Zukunft. Die Eintragungen Annes brechen am 1. August 1944 ab.
Nach der Festnahme am 4. August 1944 fand Miep Gies die gesamten Niederschriften Annes und bewahrte sie auf. Nachdem feststand, dass Anne tot war, übergab sie diese Aufzeichnungen Otto Frank, ihrem Vater. Nach der Ermunterung von Freunden veröffentlichte Annes Vater vorwiegend das von Anne selbst umgeschriebene 2.Tagebuch, ließ aber Passagen, die ihm beleidigend oder zu persönlich vorkamen, weg. Er fügte außerdem Geschichten aus dem „Geschichtenbuch“ dem Tagebuch hinzu.
Scan: Phantast987 / CC BY-SA
Das Tagebuch erschien 1950 in der BRD und Frankreich und wurde 1952 in den Vereinigten Staaten gedruckt. Es erschien in mehr als 50 Sprachen und es wurden ca. 20 Millionen Exemplare gedruckt. Am 5. Oktober 1955 ist die Premiere der Bühnenfassung am Broadway von Albert Hackett und Francis Goodrich-Hackett gefeiert worden. Sie bekam den Pulitzer-Preis für das beste Schauspiel des Jahres.1959 folgte die Filmfassung. Immer wieder wurde die Authentizität des Tagebuchs, meist aus rechtsstehenden Kreisen, bezweifelt. Deshalb wurde 1986 eine textkritische Ausgabe des niederländischen Institut für Kriegsdokumentation veröffentlicht (Übersetzung von Mirjam Pressler seit 1988). Das Tagebuch ist heute als Leihgabe im Anne-Frank-Haus in Amsterdam, welches als ehemaliges Versteck Annes und ihrer Familie diente. Der Besitzer dieses Hauses schenkte es 1957 der Anne-Frank-Stiftung unter der Bedingung, dass es für Besucher offen ist. 1960 wurde dort ein Museum eröffnet.
Anne Frank wurde zum Symbol für die Millionen Opfer aus der Zeit des Nationalsozialismus und als Vermächtnis ihres Tagebuchs wird das Ideal einer Neuen Welt nach dem Nationalsozialismus gesehen. Der größte Wunsch von Anne Frank „Ich will noch fortleben, auch nach meinem Tod“ erfüllte sich.
Foto: Flibbertigibbet / CC BY-SA
verfasst von: Madlen S.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2001/2002