Antisemitismus im 19. Jh.
In der Zeit der Aufklärung erfolgte eine kurzzeitige Verbesserung der Judenfrage. Das Scheitern der Frankfurter Nationalversammlung im Jahr 1848/49 war für die Juden dann wieder ein herber Rückschlag. Träume von einer Existenz als gleichberechtigte Bürger mussten begraben werden. In der Folgezeit kam es zu einer Verstärkung der antijüdischen Haltung. Bis 1861 galten Judenedikte, sie sahen vor Juden in ihrem wirtschaftlichen und politischen Handeln einzuschränken. Die Reaktion darauf war eine große Auswanderungswelle nach Amerika. Mit der Gesetzgebung von 1869/71 erfolgte dann endlich eine Gleichstellung der Juden. Jetzt waren die jüdischen Bürger in Deutschland davon überzeugt, dass die letzten Schranken in Beruf und Gesellschaft fallen würden. 1892 gab es erstmals antisemitische Tendenzen im Programm der Konservativen Partei.
Diese Kräfte konnten sich aus den alten Gründen keine Koexistenz von christlichen Deutschen und jüdischen Deutschen vorstellen, Liberale forderten von den Juden den Verzicht auf ihre Kultur und ihre religiösen Satzungen, weil sie im Widerspruch zur modernen Zeit stünden. Im christlich geprägten Deutschland entwickelte sich aber die Haltung der Gesellschaft zu den Juden sehr negativ. Die Angst vor Überfremdung und das Streben der Juden nach Gleichberechtigung und Anerkennung, waren Ursachen für ein erneutes Aufkommen des Judenhasses. Das Judentum wurde verstärkt für den aufkommenden Pauperismus in der Zeit der Industrialisierung verantwortlich gemacht. So wuchs der Judenhass am Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland zusehends an. Ständiges Angriffsziel war unter anderem die liberale Presse, die mit den in jüdischer Hand befindlichen Verlagshäusern Ullstein und Mosse (Berlin) sowie Sonnemann (Frankfurt/Main) identifiziert wurde.
Ablehnende Bewertungen fand auch die Tätigkeit von Juden als Privatbankiers. Der Sozialdarwinismus war die Grundlage für viele Antisemiten. Houston Steward Chamberlain baute diesen in seiner antisemitischen Schrift „Die Grundlagen des 19. Jahrhunderts„ aus. Er sah eine Notwendigkeit darin, die Menschen in hochwertige und minderwertige Rassen zu unterscheiden, wobei nur die hochwertige Rasse überleben sollten. Es ist ein wichtiger Unterschied zum Antijudaismus des Mittelalters, dass die Juden fortan als minderwertige Rasse galten. Die Rassentheorien der Nationalsozialisten knüpfen nahtlos am Antisemitismus des 19. Jahrhunderts an.