Ein Überblick

Juden, die den Holocaust überlebten, fragten sich 1945 häufig, ob sie nach allem, was geschehen war, weiter in Deutschland leben können. Viele verneinten die Frage und wanderten aus - nur ca. 15 000 blieben. Im Nachkriegsdeutschland betrug die Zahl der dagebliebenen Juden gerade einmal 0,05% gemessen an der Gesamtbevölkerung.

1945 wurden 51 jüdische Gemeinden in den 4 Besatzungszonen wiedergegründet. Insgesamt gehörten 1952 in Deutschland etwa 18 000 Juden gut 70 Gemeinden an. Die geringe Zahl an Gläubigen hatte auch Einfluss auf die Gemeindestruktur. Es entstanden meist Einheitsgemeinden, in denen sich die Pluralität der religiösen Strömungen des Judentums nur noch bedingt widerspiegelte. In Frankfurt a.M., Hamburg, Berlin, Köln und München entstanden die größten Gemeinden. Nach dem Krieg bestand deren Aufgabe in der Organisation des religiösen Lebens, aber auch in der Versorgung der Gemeindemitglieder mit Wohnraum, Verpflegung und Bekleidung. Bevor es zum Ausbau der jüdischen Gemeinden kommen konnte, mussten noch viele Probleme gelöst werden, die mit dem Krieg und der Verfolgung der Juden im Zusammenhang standen. Überlebende aus den Konzentrationslagern, aber auch Flüchtlinge aus dem Osten mussten versorgt, in ihren Auswanderungsbemühungen unterstützt oder integriert werden.

In den ersten Nachkriegsjahren spielten in Deutschland auch die sog. „Displaced Persons“ eine Rolle. Sie suchten, nicht selten noch nach dem Krieg aus Osteuropa vertrieben, eine neue Heimat und fanden sie vor allem in den Vereinigten Staaten von Amerika oder später in Israel. Deutschland –und hier besonders die amerikanische Besatzungszone in Süddeutschland- war für sie eine Zwischenstation (1947: 200 000 DPs; August 1948: 30 000 DPs).

1950 wurde von Vertretern der jüdischen Gemeinden der „Zentralrat der Juden“ als Dachorganisation mit Sitz in Berlin gegründet. Der Rat war ein wichtiger Motor für den Wiederaufbau eines organisierten jüdischen Gemeindelebens. Seine Aufgabe war es, Aufklärung über den Holocaust zu leisten, jüdische Gemeinden zu fördern, jüdische Identität zu festigen und nach außen eine Art Wächterfunktion auszuüben. Weiterhin wurde der „Bundesverband Jüdischer Studenten in Deutschland“ (BJSD) gegründet. Er vertritt junge studierende Juden zwischen 18 und 35 Jahren und übernimmt vielerorts die Koordination lokaler Aktivitäten. 1979/80 wurde die „Hochschule für jüdische Studien“ in Heidelberg eröffnet. Hier sollen Kantoren, Sozialarbeiter und Verwaltungskräfte für jüdische Gemeinden ausgebildet werden.

In den ersten fünf Jahrzehnten jüdischer Nachkriegsexistenz konnten institutionelle Rahmenbedingungen von der lokalen Gemeinde bis zum Zentralrat, von der jüdischen Schule bis zum Seniorenklub, von der Rabbinerkonferenz bis zur Hochschule für jüdische Studien geschaffen werden.

Die aktiven jüdischen Gemeinden der BRD verbinden heute Elemente des traditionellen und reformierten aschkenasischen - mit Elementen des osteuropäischen Judentums zu einer neuen Einheit. Zur Zeit gibt es in Deutschland 83 jüdische Gemeinden mit insgesamt ca. 100 000 Gläubigen. Ihre Zahl wuchs in den letzten Jahren besonders durch den Zuzug osteuropäischer Juden. Heutzutage bietet sich -besonders in einigen Großstädten- ein vielfältiges und facettenreiches jüdisches Leben.

verfasst von: Anne D.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2001/2002


Die Darstellung zum jüdischen Leben nach 1945 in Deutschland ist ein grober Überblick zu wichtigen Entwicklungen.
Wer sich näher informieren will, dem sei folgende Publikation empfohlen:
Otto R. Romberg / Susanne Urban-Fahr (Hrsg.): „Juden in Deutschland nach 1945 – Bürger oder ‚Mit’-Bürger?“. Frankfurt a.M. 1999.

Aktuelle Probleme und Entwicklungen spiegelt sehr detailreich:
http://www.hagalil.com

1. Grundgedanken nach dem Holocaust

1. Grundgedanken der Juden nach dem Holocaust
Auf dem Friedhof Deutschland könne, ja dürfe es kein neues, jüdisches Leben mehr geben.
Erste Nachkriegstagung 1948: Juden auf der ganzen Welt werden ermahnt, auf den blutgetränkten Boden sich nicht niederzulassen.
Nicht nur Deutschland, sondern ganz Europa wird ausgeschlossen.

2. Die ersten Jahre nach dem Holocaust

  • 15 000 Juden überlebten in Deutschland
  • wanderten nicht aus, sondern viele Juden flohen aus Osteuropa nach Deutschland, v.a. in die amerik. Besatzungszone
  • diese Menschen nannte man Disaplaced Persons (D = vorübergehende Unterkunft, wollte nach Amerika/ Israel auswandern)
  • viele Juden meinten, sie "waren befreit, aber nicht frei" (Leben in Lagern, hinter Stacheldraht, uniformierte Bewachung)
  • 1947: 200 000 Disaplaced Persons (D.P.) - Schwerpunkt in Süddeutschland
  • Gründung des israelischen Staates führte zur Auflösungsphase in D
  • April 1948: 165 000 D.P.
  • August 48: 30 000 D.P. (Zeitungen stellen ihren Betrieb ein, Institutionen ziehen sich zurück)
  • es gibt eine kleine Gruppe in Bayern, die DP nicht verlassen möchte
  • das israelische Konsulat in München sagt: diese Gruppe ist eine Quelle der Gefahr für das gesamte jüdische Volk

3. Ereignisse ab 1950

  • 1950: Schließung d. Jewish Agency (war zuständig für die Auswanderung der Juden nach Israel)
  • 1.7.1953: Schließung des israel. Konsulats in München
  • 1950: Bildung eines Zentralrates d. Juden in D (vertritt zwei unterschiedliche Gruppierungen: D.P. osteuropäischer Herkunft und dt. Juden)
  • 1952: 18 000 Juden in 70 Gemeinden
  • in DDR keine substanzielle jüdische Bevölkerung spürbar

4. Ereignisse in den 60er und 70er

  • In den 60er und 70er Jahren kamen weitere Einwanderer hinzu: persische Juden, Flüchtlinge aus Ungarn 1956, aus Polen 1968, SU 70er
  • größte Gemeinde in Berlin 6000 Juden
  • Föderalismus der BRD auch in jüdischem Leben bemerkbar: jüdische Presseorgane in Düsseldorf, später in Bonn, jüdische Zeitungen bis in die 70er
  • Gründung der Hochschule für jüdische Studien
  • in 60ern Gründung der BJSD: Bundesverband jüdischer Studenten in Deutschland (vertritt junge Leute 18-35, hauptsächlich um die 1000 Studenten; erhebliche Existenznöte, viel zu wenig interessierte Jugend)
  • Aufgaben: Koordinierung der lokalen Aktivitäten, Proteste gegen antisemitische Vorfälle, aller vier Jahre Organisation von bundesweiten organisierten Seminaren zum gegenseitigen Kennenlernen

5. Ereignisse der 80er

  • ab Mitte der 80er Jahre neue Synagogen/Gemeindezentren, ersetzen die zu klein gewordenen Bet- und Versammlungsräume (wer neue Synagogen / Gemeindezentren baut, plant für die Zukunft)
  • Juden leben mehr in Öffentlichkeit: jüdische Gemeindemitglieder treten mit deutlicherem Ton nach Außen
  • viele Anlässe zu Protesten: alljährliche SS- Veteranen- Treffen, offen geäußerte antisemitische Kommentare deutscher Politiker, Besuch von Kohl und US Präsident Reagan auf Friedhof von Bitburg mit Gräbern von Angehörigen der Waffen SS - internationales Aufsehen
  • 1987 Skandal in eigenen Reihen Werner Nachmann: Veruntreuung von Geldern

verfasst von: Norma P.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 2001/2002