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Die Kreuzzüge

Bei der Betrachtung der Judenverfolgung im Mittelalter muss man davon ausgehen, dass die allgemeine Wertschätzung eines Menschenlebens, zumal wenn es sich um das eines Nichtchristen oder eines christlichen Häretikers handelt, gering war. Viele Fürsten sahen sich gezwungen, der im Land um sich greifenden Gewalt als Folge ständiger Kriege durch Errichtung von Rechtsordnungen Einhalt zu gebieten, wie der um 1230 kodifizierte Sachsenspiegel dies versuchte.

Barbarossa auf dem dritten Kreuzzug. Buchmalerei in einer Handschrift der Biblioteca Nazionale Marciana, Venedig, 15. Jh.

Die Massaker an den Juden bildeten vor diesem historischen Hintergrund keine Ausnahmen, doch hinterließen sie aufgrund der jüdischen Schutzlosigkeit besonders grausige Spuren. Einen Höhepunkt fand die Verfolgung der Juden in der Zeit der Kreuzzüge. Wichtigstes Ziel war die Befreiung der heiligen Stätten der Christenheit von den Heiden, jedoch spielten auch wirtschaftliche Interessen eine große Rolle, da die türkische Vorherrschaft im Vorderen Orient zunehmend den Fernhandel beeinflusste.

Die gegen alle Nichtchristen gerichtete Kreuzzugsstimmung verschärfte den religiösen Gegensatz zu den Juden weiter, was sich nicht nur zu Beginn, sondern auch im weiteren Verlauf der Kreuzzüge zeigte. Die Grafen und Ritter aus dem Wirkungskreis Peters des Eremiten nutzten z.B. die Gelegenheit, sich schon vorher, ehe sie das erträumte syrische Paradies erreichten, zu bereichern. In den sich über mehrere Monate hinziehenden Raubzügen der Kreuzfahrer wurden die Juden in vielen Städten - Rouen, Reims, Verdun, Neuss und Xanten - heimgesucht, d. h. entweder ausgeplündert oder auch umgebracht. Der französische Mönch Guibert von Nogent berichtet: "In Rouen sprachen eines Tages die Kreuzfahrer untereinander: 'Wir wollen in den fernen Osten gegen die Feinde Gottes ziehen und müssen dafür einen langen Weg durch viele Länder hinter uns bringen. Doch hier, vor unseren Augen, leben die Juden, das allergottesfeindlichtste Volk - unsere Arbeit wäre verfehlt'. Sprachen´s, nahmen ihre Waffen und drängten die Juden mit Gewalt in eine Kirche. Sie richteten das Schwert gegen alle, ungedacht des Alters oder des Geschlechts, und nur wer sich taufen ließ, kam lebend davon."

Bronzefigur von Gottfried von Bouillon in der Innsbrucker Hofkirche, Dralon, Wikimedia Commons, CC-BY-SA 3.0

Im 1. Kreuzzug nutzten bewaffnete Scharen die Gelegenheit und folgten einem Aufruf Gottfrieds von Bouillons, der besagte, dass man zuerst das Blut Christi im eigenen Land rächen soll. Die jüdische Bevölkerung der Städte Trier, Speyer, Worms, Mainz und Köln wurde angegriffen, viele starben eines gewaltsamen Todes. Der aktionsunfähige deutsche König Heinrich IV. konnte gegen die Massaker nichts unternehmen; die örtlichen Schutzmächte waren schwach. Eine zwielichtige Rolle spielte bei den Massenmorden der Mainzer Erzbischof, dem später vorgeworfen wurde, sich gleichfalls am jüdischen Eigentum bereichert zu haben; er zwang Juden zur Taufe. Die Vorgänge in Mainz schienen besonders furchtbar gewesen zu sein. 1096 kam es zu einem Blutbad unter den jüdischen Bewohnern, die sich zu ihrem Schutzherren, dem Bischofs von Mainz, geflüchtet hatten, der sie jedoch vor den Kreuzfahrern nicht in Schutz nahm. Der jüdische Chronist Ephram bar Jakob berichtet: "Alle waren im Hof des Bischofs, als die Feinde über sie kamen und verbrecherisch Säuglinge und Frauen, Knaben und Greise an einem Tag töteten. Es war ein grausames Volk, das sich nicht um Greise und Kinder kümmerte, sich nicht der Kleinkinder und Säuglinge erbarmte und nicht der Schwangeren, die vor der Niederkunft standen. Sie hatten kein Mitleid, bis nicht alle getötet waren. Denn alle Juden entschlossen sich, zu Ehren Gottes sich selbst zu töten. Als der Feind kam, riefen sie alle mit lauter Stimme und eines Sinnes das 'Höre-Israel'-Gebet..."

Eine Woge blinden Hasses überrollte die jüdischen Gemeinden auch im 2. Kreuzzug 1146/47, der den christlichen Teilnehmern Zahlungsaufschub oder Schuldenerlass gegenüber den jüdischen Gläubigern versprach. Päpstliche Stimmen zur Mäßigung, die zumindest vereinzelt zu vernehmen waren, blieben ungehört. 1241 und dann noch einmal 1349- während der Pestjahre- wurde zum Beispiel die Frankfurter Gemeinde fast völlig vernichtet.

verfasst von Virginia H.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 1999/2000