Hilde Domin

Während und nach der Zeit des Zweiten Weltkrieges sahen viele deutsche Künstler und Schriftsteller Länder wie Großbritannien, Frankreich und Italien als ihre zweite Heimat an. Die bedeutendste deutschsprachige Autorin des 20. Jahrhunderts gab sich aufgrund ihrer Verbundenheit zu ihrem Asylland ein Pseudonym, abgeleitet von einem Inselstaat in Mittelamerika- der Dominikanischen Republik.

Biographisches

Stolpersteine Köln: Stolpersteinverlegung für Eugen, Paula, Hans Artur und Hildegard Dina (Hilde Domin) Löwenstein, Riehler Straße 23 am 4. April 2017

Hilde Domin, geboren am 27. 07. 1909 in Köln, wuchs in wohlhabenden Verhältnissen als Tochter eines Rechtsanwalts und einer ausgebildeten Sängerin auf. Sie selbst studierte Jura, Wirtschaftswissenschaften, Soziologie und Philosophie.

1932 sieht die Jüdin die NS-Machtergreifung voraus. Sie wandert mit dem Kunsthistoriker Erwin Walter Palm, den sie 1936 heiratet, nach Rom aus. In der Zeit verzichtet sie auf eine Universitätslaufbahn, unterstützt ihren Mann und verdient mit Sprachunterricht und Übersetzungen den Lebensunterhalt.

England wird bald ihr zweites Asylland. Hier lehrt sie an einem College Sprachen. Erst als das Ehepaar in die Dominikanische Republik flüchtet, tritt die Autorin aus dem Schatten ihres Mannes und beginnt - unter dem Pseudonym ‚Domin’ zu dichten. Dieser Lebenswandel steht in engem Zusammenhang mit dem Tod ihrer Mutter. Die meisten Gedichte sind aus Leid und Kummer heraus geschrieben. Hilde Domin empfindet diese Zeit als eine Art „zweite Geburt“. Sie selbst schreibt „Ich kam erst 1951 auf die Welt“, es ist das Jahr, in dem erste literarisches Werke entstehen.

In den Folgejahren veröffentlicht sie ihre Gedichte in Zeitungen und Zeitschriften.
Ihr erster Gedichtband erscheint im S. Fischer Verlag unter dem Titel „Nur eine Rose als Stütze“.

Mehrere Auszeichnungen wie z. B. der Rainer- Maria-Rilke-Preis (1968) oder der Droste-Preis der Stadt Meersburg (1971) preisen die literarische Qualität ihrer Werke.
1961 kehrt sie nach Deutschland zurück. Hilde Domin starb im Jahr 2006 in Heidelberg.

Foto: Geolina163 / CC BY-SA

Domins Lyrik

2.1 Allgemeines

Hilde Domin gilt als „Dichterin der Rückkehr“. Ihre Werke befassen sich mit dem Verlust essentiellen Lebensinhalts, sowie mit dem Gewinn von etwas Neuem. Ihre Poesie ist geprägt vom unerschütterlichen Glauben an die Menschheit, an den Frieden und an die Gerechtigkeit. Allerdings ist ihr Vertrauen in den Menschen als beispielhaft für eine Generation deutscher Juden zu sehen, die aus dem Exil als Boten der Versöhnung nach Deutschland zurückgekehrt sind.

Ihre Lyrik lebt von eigenen Erfahrungen: Ein Dichter muss sein Erleben und sein Leid mit Worten gestalten, so dass sich der Leser damit identifizieren kann.
Obwohl Hilde Domin ins Exil flüchtete, war die deutsche Sprache die einzige, in der sie schöpferisch tätig sein konnte.

Sie ist sich durchaus bewusst, dass sie mit ihren Werken nicht die Welt verändern kann, aber sie versucht, an den einzelnen zu appellieren, dem Menschen mit Aufrichtigkeit Hoffnung zu geben, ohne dabei Angst zu haben, die Wahrheit zu sagen.
Hilde Domin will sich nicht einordnen lassen. Sie hört auf die Stimme ihres Herzens, will nicht mit dem Strom schwimmen.

Obwohl ihre Gedichte einfach scheinen, sind ihre Aussagen eindringlich. Sie bevorzugt eine direkte Sprache. Daher vermeidet sie Adjektive, Adverbien und Euphemisierungen in ihren Gedichten.

Hilde Domin ist keine verbitterte Frau, die über ihr Leben klagt. Sie verarbeitet ihre Vergangenheit und Erfahrungen in Gedichten, in denen aber aufrichtiges Engagement zu spüren ist. Allerdings will sie niemanden mit einem kämpferischen Unterton etwas vorschreiben, sondern nur darauf hinweisen, dass der Mensch die Fähigkeit zur Zivilcourage besitzt, ein Gemeinschaftswesen ist und dass er die Anlage zum Mitfühlen und Helfen hat.

2.2 Botschaft der Gedichte

Der Mensch hat keine Wahl, er kann sich nicht aussuchen, welche Ereignisse ihm im Leben widerfahren. Bedeutend ist aber die Haltung gegenüber dem, was man nicht ändern kann.

In Hilde Domins Gedichten wird der Mut und die Hoffnung zum zentralen Thema. Man muss sich dem stellen, was einem widerfährt und es bedingungslos annehmen. Jedoch soll der Mensch aus eigener Kraft zum Leben zurückfinden, ohne dabei jemals die Hoffnung zu verlieren.

Haltung zum Judentum

Als Tochter jüdischer Eltern, floh Hilde Domin während der Nazi-Zeit ins Exil, wo sie über 20 Jahre verbrachte. Danach kehrte sie in ihre Heimat zurück.
Es ist zu vermuten, dass sie dem assimilierten Judentum angehört. Zwar wird in ihren Werken das Schicksal, als unabdingbare Gegebenheit thematisiert, was sie jedoch nicht zur Fatalistin werden lässt. Der Mensch hat keinen Einfluss auf den Lauf der Dinge, aber er kann lernen, damit umzugehen.

Zudem zweifelt sie an der göttlichen Gnade und erkennt die Erfüllung des Daseins nur durch die eigene Stärke an. Daher wird in ihrer Poesie der Aufruf an den Einzelnen deutlich, sein Schicksal anzunehmen, aber auch zu versuchen, selbst etwas daraus zu machen: Die schwersten Wege muss der Mensch allein gehen, Enttäuschung und Verlust ertragen, im Unklaren darüber, ob es einen gerechten Gott gibt, der gnädig ist und einem den Weg weist. Besonders in der NS-Zeit können diese Zweifel aufgekommen sein. Hilde Domin nahm ihr Schicksal an, wurde aber selbst tätig, indem sie ins Ausland flüchtete.
Hilde Domin hat nie den Glauben an die Menschheit und die eigene Stärke verloren; ob an Erlösung und göttliche Unterstützung, ist zweifelhaft.