Martin Buber

Martin Buber, 40er/50er Jahre

Martin Buber war ein jüdischer Religionsphilosoph, Pädagoge und Schriftsteller. Er betrieb u.a. Forschungen zur Bibel und zum jüdischen Chassidismus in Osteuropa und trat für eine arabisch - jüdische Verständigung ein. Er übersetzte das Alte Testament aus dem Hebräischen ins Deutsche und erhielt 1952 sogar den Friedenspreis des deutschen Buchhandels.

Martin Buber wurde am 08. 02. 1878 in Wien geboren. Er entstammte einer großbürgerlichen jüdischen Familie.

Seine Jugendjahre:
Seine Jugendjahre verbrachte Buber nach der Scheidung der Eltern Karl Buber und Elise Wurgast in Lemberg im großelterlichen Haus. Vom Großvater Salomo B., einem als Editor rabbinischer Quellen bekannten Gelehrten, wurde er in die Welt jüdischer Religiosität und Geistigkeit eingeführt, von der Großmutter Adele in die Welt der schönen Literatur, vornehmlich der deutschen Klassik. Seit dem 13. Lebensjahr besuchte er das polnische Gymnasium in Lemberg und lernte auf diese Weise auch den slawischen Kulturraum kennen( seine erste Veröffentlichung ist polnisch geschrieben). Daneben geriet er auch in Berührung mit Leben und Geist der chassidischen Bewegung des Ostjudentums, wuchs selbst aber als "kultur-assimilierter Westjude" heran.

Seine Studienjahre:
Das breit angelegte Studium (Philosophie, Germanistik, klassische Philosophie, Literatur- und Kunstgeschichte, Psychiatrie und Nationalökonomie) begann 1896 in Wien und führte über Leipzig und Berlin nach Zürich. Unter seinen Lehrern ragen namentlich Wilhelm Dilthey und Georg Simmel hervor. Für seine geistige Entwicklung bestimmend war insbesondere der Einfluss Nietzsches, ferner die Beschäftigung mit Mystikern der Renaissance- und Reformationszeit wie Jacob Böhme und Valentin Weigel.

Marksteine seines Lebens:
Zu Marksteinen seines Lebens wurden 1899 in Zürich die Heirat mit Paula Winkler( später unter dem Schriftsteller - Pseudonym Georg Munk bekannt) und in Berlin im Kreis der von Heinrich und Julius Hart begründeten kulturrevolutionären, sozialistischen "Neuen Gemeinschaft" die Begegnung mit Gustav Landauer, dem er zeitlebens eng verbunden blieb.

Gründung des Jüdischen Verlags Berlin 1902
Gründung des Jüdischen Verlags Berlin 1902 (von links: Berthold Feiwel -sitzend-, Schriftsteller aus Mähren, Ephraim Mose Lilien, Graphiker aus Galizien, Chaim Weizmann, später Chemiker von Weltruf und Präsident der Zionistischen Weltorganisation, Martin Buber -sitzend- und David Trietsch, später zionistischer Führer aus Rußland)

Buber und der Zionismus (Bewegung zur Gründung und Sicherung eines nationalen jüdischen Staates):
Buber fand bereits früh Anschluss an die zionistische Bewegung: 1898 initiierte er eine zionistische Ortsgruppe und den Verein jüdischer Studenten in Leipzig, 1899 nahm er als Delegierter am 3. Zionistischen Kongress in Basel teil und wurde Redakteur der zionistischen Zeitschrift "Die Welt". 1901 trat er auf dem 5. Zionistischen Kongress in Basel als Sprecher der "kulturzionistischen" Richtung gegen die national - politischen Zionisten auf, was zum Bruch mit Theodor Herzl und Max Nordau führte. 1902 begründete er mit Berthold Feiwel den "Jüdischen Verlag" im Sinne der kulturellen und geistigen "Erneuerung des Judentums". Die Verbindung mit dem "Verein jüdischer Hochschüler Bar Kochba in Prag" ( seit 1903) diente dem gleichen Ziel. Mit dem Abschluss der Dissertation zog sich Buber jedoch zunehmend aus der zionistischen Parteiarbeit zurück.

Seine literarische Tätigkeit:
Schon früh mit namhaften Dichtern und Schriftstellern bekannt (u.a. Hesse, Döblin, Dehmel), fühlte er sich im Gefolge eigener ekstatischer Erfahrungen selbst zum Dichter berufen und begann eine vielseitige literarische Tätigkeit: Im Mittelpunkt steht die jüdische Mystik des Chassidismus, daneben aber auch andere, namentlich orientalische Überlieferungen mythischen und mystischen Denkens. Den Abschluss dieser ersten Schaffensphase bildet die kleine Prosadichtung Daniel (1913), die eine Synthese westlicher Lebensphilosophie und östlicher Mystik versucht, im Kern aber bereits Grundelemente des später für Buber kennzeichnenden Existentialismus und dialogischen Prinzips enthält und von ihm selbst rückblickend als "Bekehrung" bezeichnet wurde. In dieser Zeit bestritt er, inzwischen in Berlin ansässig, seinen Lebensunterhalt wesentlich durch das Lektorat bei Rütten & Loening als Herausgeber der sozialpsychologischen Schriftenreihe "Die Gesellschaft".

Weitere Schaffensjahre:
Seit 1913 wuchs zunehmend wieder das Interesse an Fragen der zionistischen Bewegung. Ansätze dazu finden sich bereits in den "Drei Reden über das Judentum", zwischen 1909 und 1911 in Prag gehalten. Öffentlich zum Ausdruck brachte er dies zunächst 1913 in Plänen zur Gründung einer jüdischen Schule in Deutschland, ferner 1916 unter dem Eindruck des 1. Weltkrieges in seinen gesammelten Aufsätzen und Ansprachen über "Die jüdische Bewegung", in der kleinen Schrift "Vom Geist des Judentums" sowie v.a. in der Herausgabe der Monatsschrift "Der Jude", die bis 1924 von Buber als Sprachrohr jüdischer Neubesinnung und Sammlung geleitet wurde. 1916, inzwischen nach Heppenheim umgezogen, kam es zur ersten Konzeption von "Ich und Du", der 1923 veröffentlichten Grundschrift Bubers, mit der er sich von der bisher eingenommenen mystischen Grundhaltung verabschiedete und die Entwicklung zum dialogischen Denken in Beziehung und Begegnung vollzog, Grundlage aller späteren sprachphilosophischen und pädagogischen Arbeiten.

Buber zur Kriegszeit:
Die Gräuel des Krieges und die ihm folgenden revolutionären Umbrüche erlebte und deutete Buber wie viele ihm verbundene Zeitgenossen als geistige und religiöse Krisis und als Widerlegung der nationalen Ideologie. Er schloss sich der revolutionär - sozialistischen, nichtmarxistischen Erneuerungsbewegung des Ha-poel Hazair an, verabschiedete sich aber 1921 von der aktiven Parteiarbeit.

Bubers Wirken in den folgenden Jahren:
Buber wirkte von Heppenheim aus in sich vielfältig weitenden Kreisen. Er initiierte z.B. Tagungen zur Erneuerung des Bildungswesens, arbeitete mit an den pädagogischen Reformbestrebungen im "Internationalen Arbeitskreis für Erneuerung und Erziehung", beteiligte sich an den Bestrebungen des interkonfessionellen "Patmoskreises", um die Begegnung und Zusammenarbeit der Religionen zu fördern, und gab im Auftrag dieses Kreises die Zeitschrift "Die Kreatur" heraus. Daneben übte er eine vielfältige Unterrichtstätigkeit aus, z.B. an dem "Freien jüdischen Lehrhaus", an der "Akademie der Arbeit", an der Universität oder in freien Lehrgruppen in der Schweiz, in Holland und Deutschland.


Buber und die Bibel:
Seit 1925 begann eine enge Zusammenarbeit mit Franz Rosenzweig bei der Verdeutschung der hebräischen Bibel, die Buber nach dessen Tod weiterführte und 1961 vollendete. Über ihre Grundlagen legten beide in dem Gemeinschaftswerk "Die Schrift und ihre Verdeutschung" Rechenschaft ab. In der Folgezeit traten dadurch neben der weitergeführten Beschäftigung mit der Welt des Chassidismus biblische Themen immer stärker in seinen Gesichtskreis.

Martin Buber and Rabbi Binyamin in Palästina, zw. 1920 und 1930 / Public domain

Buber während der Zeit des Nationalsozialismus

Nach der Machtergreifung der NSDAP legte Buber vor dem offiziellen Entzug der venia legendi seine Frankfurter Professur nieder und betätigte sich danach am Aufbau einer "Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung bei der Reichsvertretung der Juden in Deutschland". 1935 wurde ihm jede öffentliche Lehrtätigkeit verboten. Versuche, ihn an die hebräische Universität in Jerusalem zu berufen, führten erst 1938 zum Erfolg. Noch vor dem Novemberpogrom konnte er dorthin emigrieren und eine Professur für "Sozialpsychologie" übernehmen. Der schwere Neubeginn war bestimmt von dem Bemühen, sich in den politischen Wirren des Landes an der Grundlegung und am Aufbau jüdischer Erziehungsarbeit zu beteiligen und in der Gruppe "Ichud" für jüdisch-arabische Verständigung einzutreten. Er fand damit aber nur geringen Widerhall. Seine Schaffenskraft blieb ungebrochen. Die Ansätze von "Ich und Du" wurden weiter ausgebaut zu einer umfassenden philosophischen Anthropologie, die bibelwissenschaftlichen Werke vollendet. Auch die vor der Vertreibung aus Deutschland beschnittenen Wege der Begegnung und Auseinandersetzung mit christlicher Weltsicht wurden fortgesetzt.

Erfolge, Preise und Ehrungen:

Nach der Staatsgründung Israels errichtete Buber 1949 in Jerusalem ein "Seminar für Erwachsenenbildung", das er bis 1953 selbst leitete. 1960 - 62 war er der erste Präsident der Akademie der Wissenschaften Israels.
1947 kam er erstmals wieder nach Europa, zu Vorträgen nach Paris, Basel, London. Seit 1951 besuchte er auch mehrmals Deutschland, ebenso die USA. In dieser Zeit wurden ihm zahlreiche offizielle Ehrungen zuteil:

  • 1951 in Hamburg der Hansische Goethepreis
  • 1953 in Frankfurt der Friedenspreis des deutschen Buchhandels
  • 1960 der Kulturpreis der Stadt München
  • 1961 der große österreichische Staatspreis
  • 1963 in Amsterdam der niederländische Erasmuspreis
  • 1964 Ehrendoktorat der Universität Heidelberg

Während so im Ausland seine Weltgeltung als philosophischer und religiöser Denker und Erzieher wuchs und er dort als der große Künder jüdischer Existenzdeutung galt, fand er in der jüdischen Welt, insbesondere Israel, auch nach seinem Tod bislang nur geringes Echo.

Buber starb am 13. 06. 1965 in Jerusalem (Grabstätte: Friedhof Har Hemenuchoth)
Inschrift des Grabsteins:
"Und doch bleibe ich stets bei Dir
Meine rechte Hand hast Du erfasst
Mit Deinem Rate leitest Du mich
Und danach nimmst Du mich in Ehren hinweg."

Vortrag des Philosophen Martin Buber (1878-1965) aus dem Jahr 1962. Darin widmet sich Buber dem Gespräch als "Matrix" des Denkens.

Weitere Werke:

  • Ich und Du (1923)
  • Die Schrift (1925 - 35)
  • Königtum Gottes (1932)
  • Moses (1948)
  • Gog und Magog (1950)
  • Erzählung des Chassidim (1950)
  • Der Glaube der Propheten (1950)

Zitate

Heppenheim (Bergstraße) - Martin Buber Statue | März 2014 - CC BY-ND 2.0 / Public domain

Aus "Ich und Du":
Im Mittelpunkt seiner "dialogischen Philosophie" steht die Ich-Du-Beziehung, das unmittelbare Verhältnis des Menschen zum jeweiligen Gegenüber, sowohl im menschlichen Miteinander als auch in der Beziehung des Einzelnen zu Gott.

"Geist in seiner menschlichen Kundgebung ist Antwort des Menschen an sein Du. Der Mensch redet in vielen Zungen, Zungen der Sprache, der Kunst, der Handlung, aber der Geist ist einer, Antwort an das aus dem Geheimnis erscheinende, aus dem Geheimnis ansprechende Du. Geist ist Wort."

"Die Existenz der Mutualität zwischen Gott und Mensch ist unbeweisbar, wie die Existenz Gottes unbeweisbar ist. Wer dennoch von ihr zu reden wagt, legt Zeugnis ab und ruft das Zeugnis dessen an, zu dem er redet, gegenwärtiges oder künftiges Zeugnis."

"Alles wirkliche Leben ist Begegnung."

"Ohne Es kann der Mensch nicht leben. Aber wer mit ihm allein lebt, ist nicht der Mensch."

"Geist ist nicht Ich, sondern zwischen Ich und Du."

"Nach seinem Ichsagen - danach, was er meint, wenn er Ich sagt - entscheidet sich, wohin ein Mensch gehört und wohin seine Fahrt geht. Das Wort Ich ist das wahre Schibboleth (Losungswort) der Menschheit."

"... all die Welt mit im Du begreifen, der Welt ihr Recht und ihre Wahrheit geben, nichts neben Gott, aber auch alles in ihm fassen, das ist vollkommene Beziehung."

verfasst von: Juliane D.
Wahlgrundkurs „Jüdische Geschichte und Kultur“ 1999/2000